Die Selbstabschaffung der Politik ist alternativlos.
Von Philipp Schmidt
Wenn Angela Merkel Politik macht, geht das so: "Ich halte dieses Vorgehen für alternativlos." - "Es gibt keine vernünftige Alternative zu diesem Weg." Auch der Krieg in Afghanistan sei "alternativlos", und selbstverständlich gebe es zu den kürzlich beschlossenen Einschnitten im Sozialbereich "keine Alternative". Wen soviel Einerlei politikmüde macht, dem teilt Roland Koch mit: "Zu Merkels Führungsstil gibt es keine Alternative."
In der Krisenrhetorik der politischen Vollzugsbeamten triumphiert die Parole übers Argument. Das Mantra von der Alternativlosigkeit, einst in Anlehnung an Margaret Thatchers neoliberale Radikalkur als Tina-Syndrom ("There is no alternative") bezeichnet, ist in Deutschland spätestens seit der Basta-Politik der Schröder-Fischer-Truppe schwer in Mode. Die Regierung Merkel treibt es nun auf die Spitze.
Dabei entbehrt das irrwitzige Gerede einer politischen Klasse, die sich beständig selbst parodiert, jeder Logik. Gibt es zu einer beliebigen Entscheidung keine Alternative, dann gibt es auch nichts zu entscheiden, und es erübrigt sich, davon viel Aufhebens zu machen, so wie es sich unter diesen Umständen erübrigt, eine Klasse von Berufspolitikern zu alimentieren, die nichts Besseres mehr zu tun hat, als vor laufenden Kameras ihre eigene Überflüssigkeit zu erklären. Wo's nichts zu entscheiden gibt, gibt's keine Politik (von "Demokratie" gar nicht erst zu reden). Warum nicht gleich dem Ackermann, der Klatten oder dem Piëch die Amtsgeschäfte übertragen?
Die Bankrotterklärung der politischen Sachzwangapostel, die es sich in ihrem "stahlharten Gehäuse der Hörigkeit" (Max Weber) längst bequem gemacht haben, ist trotz all der unfreiwilligen Komik bitterernst zu nehmen. Das Gefasel von der Alternativlosigkeit wendet sich nicht nur an einen Adressatenkreis, dem damit jede Mündigkeit abgesprochen wird, sondern appelliert zum Zweck der Mobilisierung der Schicksalsgemeinschaft ans nurmehr stumpfe Mitmachen und bloße Durchhalten. Dabei wird der Versuch unternommen, jede Widerrede, jeden kritischen Einspruch und jeden Ansatz zur Debatte mit dem Hinweis auf nicht weiter explizierte Zwänge und Notwendigkeiten präventiv zu suspendieren. Das muß als Ausdruck und ideologische Begleitmusik einer sich zunehmend autoritär formierenden Gesellschaft interpretiert werden, dessen Leitfigur einerseits der kühl berechnende Technokrat und andererseits der erbötige Befehlsempfänger ist.
Wenn es auch keiner offen sagt, so verrät doch die Rhetorik derer, die nicht mehr anders können wollen, die favorisierte Strategie der nationalen Krisenlösung. Eines schönen Tages ruft es aus dem Kabinett: "Zur Abschaffung der demokratischen Grundrechte gibt es keine Alternative, leider!"