von Philipp Schmidt
Wie Nazis vor Übergriffen des DGB geschützt werden
Im niedersächsischen Bad Nenndorf durfte am 14. August öffentlich getrauert werden. Der wiedervereinigten Deutschen liebstes Thema, wenn es um die "Aufarbeitung" der eigenen Vergangenheit geht, wurde diesmal jedoch nicht aus der Mitte der Gesellschaft, sondern von Rechtsaußen besetzt. Unter dem Motto: "Besatzer raus!" zogen etwa 1.000 Nazis zum Gesundheitszentrum Wincklerbad, wo die Briten von 1945 bis 47 ein Internierungslager für deutsche Nazikader eingerichtet hatten. Nachdem der britische Journalist Ian Cobain einzelne Fälle von Mißhandlungen an Gefangenen aufgedeckt hatte, avancierte das Städtchen - nach Wunsiedel, Halbe und Dresden - zu einem neuen Wallfahrtsort des neonazistischen Revisionismus. Seit 2006 finden in Bad Nenndorf "Trauermärsche" mit jährlich steigender Teilnehmerzahl statt.
Für öffentliche Empörung sorgte in diesem Jahr eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannover, das den Aufmarsch der braunen Kameraden genehmigt, die Gegenveranstaltung des Bündnisses "Bad Nenndorf ist bunt" jedoch verboten hatte. Zwei bemerkenswerte Argumente begründeten die Entscheidung des Gerichts. Erstens entschied man nach dem Grundsatz in dubio pro primo. Aufgrund eines "Polizeinotstands", könne nur die ordnungsgemäße Durchführung einer der beiden Veranstaltungen gewährleistet werden. Da die Nazis ihren Aufmarsch vorausschauend bereits für die nächsten dreißig Jahre angemeldet hatten, ließ man ihnen den Vortritt.
Zweitens unterstellten die Richter der Gegenseite eine höhere Gewaltbereitschaft. Um also jene, die sich stolz als "nationale Sozialisten" bezeichnen, in Anlehnung an eine SA-Abteilung "Kameradschaft 73" heißen und im Vorfeld dazu aufriefen, während des "Trauermarschs" weiße T-Shirts mit Versen des NS-Dichters Heinrich Anacker zu tragen, vor den linken Schlägern des DGB und dem schwarzen Block militanter Kirchenvertreter zu schützen, entschied man, das bunte Bündnis präventiv zu blockieren.
Letztlich wurde die Entscheidung aus Hannover durch das Oberverwaltungsgericht Lüneburg dann doch noch aufgehoben, so daß die Gegendemonstration unter strengen Auflagen stattfinden konnte. Die Tatsache jedoch, daß ein deutsches Verwaltungsgericht eine vom DGB angemeldete Veranstaltung mit dem Hinweis auf deren "höhere Gewaltbereitschaft" verbietet und eine Horde von Neonazis, deren Auftreten nichts als den unbedingten Willen zur Gewalt zeigt, laufen läßt, ist das Ergebnis eines gesellschaftlichen Diskurses, der die Gefahren für die bürgerliche Demokratie vor allem von links kommen sieht.
Noch Fragen? Dann besuchen Sie bitte die beiden Symposien, die der niedersächsische Verfassungsschutz im September dazu veranstaltet. Thema: "Linksextremismus - Die unterschätzte Gefahr?"