Das Menschenbild, das der Gefangenenaustausch zwischen Israel und der Hamas offenbart, könnte vielsagender kaum sein: Der israelischen Regierung ist das Leben jedes einzelnen ihrer Bürger so viel wert, daß sie für die Heimkehr des am 25. Juni 2006 entführten Soldaten Gilad Schalit mehr als 1.000 palästinensische Häftlinge freiläßt, von denen etliche wegen terroristischer Aktivitäten einsaßen. Umgekehrt taxiert die Hamas – und mir ihr der Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, der die Übereinkunft ausdrücklich begrüßt hat – den Wert eines Palästinensers offenbar auf ein Tausendstel jenes Wertes, den ein Israeli hat. Dagegen protestiert hat in den palästinensischen Gebieten jedoch niemand; im Gegenteil wird der Austausch dort als »Etappensieg« gefeiert, wie die Tageszeitung »Junge Welt« – eine Art inoffizielles deutsches Sprachrohr des antiisraelischen Terrors – zufrieden berichtete, als Etappensieg nämlich auf dem langen Weg zur Auslöschung des jüdischen Staates. »Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod«, lautet eine populäre islamistische Parole, die auch die palästinensische Motivation für den Deal treffend umreißt.
Genugtuung herrscht auch im Lager des Bundesnachrichtendienstes (BND), ohne den dieser Deal nicht zustandegekommen wäre. Sein Vermittler Gerhard Conrad hatte bereits den Austausch zweier ermordeter israelischer Soldaten gegen fünf quicklebendige Terroristen im Juli 2008 eingefädelt, was ihm nicht nur den bezeichnenden Spitznamen »Mister Hisbollah« beim BND einbrachte, sondern auch die Begehrlichkeiten der Hamas weckte. Die nämlich war damals höchst unzufrieden mit der ägyptischen Vermittlungstätigkeit in Sachen Gilad Schalit und buhlte deshalb um Conrads Dienste. »Der Hauptgrund, warum der Handel mit der Hisbollah erfolgreich war, liegt darin, daß der deutsche Vermittler objektiv und fair war«, hieß es seinerzeit auf einer Website der Gotteskriegerpartei. Und weiter: »Die ägyptischen Vermittler, die die indirekten Gespräche zwischen der Hamas und Israel abwickeln, sind nicht ehrlich. Sie versuchen, die israelischen Forderungen zu erfüllen, indem sie Druck auf die Palästinenser ausüben.« Deutsche Vermittler hingegen würden derlei selbstverständlich niemals tun, und so darf sich Gerhard Conrad nun auch mit dem Titel »Mister Hamas« schmücken.
In Israel sieht man den Gefangenenaustausch derweil mit gemischten Gefühlen. Zwar ist die Freude über Schalits Rückkehr groß, doch die Angst, daß die freigelassenen Palästinenser weitere Anschläge verüben oder erneut israelische Soldaten entführen könnten, ist es nicht minder. Die Selbstverpflichtung, keinen Bürger in Feindesland zurückzulassen, hatte für die israelische Regierung gleichwohl Vorrang – denn sie wog schwerer als die Bitterkeit darüber, daß die Hamas nun triumphiert.