Der Philosophendarsteller Bernard-Henri Lévy zieht in den Krieg.
Von Kay Sokolowsky
Wichtigtuerei ist ein unschöner Charakterzug, an Häßlichkeit nur übertroffen von Heuchelei und Rechthaberei, aber das eine kommt selten ohne die anderen. Der Freundeskreis des Wichtigtuers ist überschaubar, denn er hat keine Freunde im engen Sinn, bloß Claqueure und Groupies. Ein Vertrauter, der ihm die Meinung geigt, fehlt. Aber das macht dem Wichtigtuer nichts aus, denn er kennt ja nur eine Meinung, die zählt - die eigene. Daß er grundsätzlich eine Ansicht vertritt, die von den meisten geteilt wird, irritiert ihn übrigens nicht, geht er doch davon aus, die Masse tanze nach seiner Pfeife, statt er, der Pfeifenheini, nach ihr.
Der Wichtigtuer du jour heißt Bernard-Henri Lévy. Man dürfte ihn selbst dann nicht für einen Philosophen halten, wenn er täte, was er gar nicht kann, nämlich schweigen. Trotzdem hält sich die Mär, dieser Quatschkopf sei ein tiefer Geist. Es schadet ihm nicht einmal, daß er eine Satire von einer wissenschaftlichen Arbeit nicht zu unterscheiden vermag. In seinem Pamphlet Vom Krieg in der Philosophie entlieh er eine Attacke gegen Kant aus einem Buch, das offensichtlich purer Nonsens ist. Pah!, sagt Lévy, die Richtung stimmt, er "erbeute Zitate ohnehin nach Piratenmanier", und so kommt er nicht mal auf die Idee, sich zu genieren. Freuds Erkenntnis, Schamverlust führe pfeilgrad in den Schwachsinn, manifestiert sich in Lévy paradigmatisch.
Die Triumphpose eines Trottels imponiert der Meinungsmaschine, die einen wie ihn so dringend braucht wie der Brechdurchfall den Zwieback. Zur Medientauglichkeit trägt er sein Mögliches bei: Der ungezähmte Schopf demonstriert wahlweise Löwenmut oder die übermenschliche Kraft eines Samson, und weil ihm ständig der Kragen platzt, trägt er das blütenweiße Hemd aufgeknöpft bis zum Nabel der Welt. Einem groben Mißverständnis zufolge, an dem er eifrig mitwirkt, gilt Lévy als Linker. Dabei ist er nichts weiter als ein sentimentaler Schwätzer, der "das Unrecht" bekämpft,
sofern man ihn dabei nur fotografieren kann. So geschehen auch, als er im libyschen Bengasi Kontakt mit selbsternannten "Rebellenführern" aufnahm und ihnen ein Rendezvous mit Frankreichs Präsident Sarkozy vermittelte. Der bekam den Vorwand, den er seit Wochen gesucht hatte, um den Menschenretter zu spielen und seine neokolonialen Projekte voranzutreiben, und zugleich dank Lévy das Ethikzertifikat, ohne das Kollateralschäden eventuell beim korrekten Namen genannt werden, und der lautet Mord. Übrigens darf man annehmen, daß Sarkozy insgeheim genauso denkt wie sein Berater Henri Guaino, der gelegentlich verlauten ließ, "BHL" sei "nichts weiter als ein kleiner prätentiöser Idiot". Welcher sich nun brüstet, einen Krieg angezettelt zu haben, obwohl er kein Jahr zuvor im "Spiegel" greinte: "Ein Krieg kann niemals ein Erfolg sein." Aber auf ein funktionierendes Gedächtnis kann der Wichtigtuer leichter verzichten als auf die Presse, ohne die er das Nichts wäre, das aus ihm brummt.