Was soll man sich unter dem "Nationalen Cyber-Abwehrzentrum" vorstellen?
Von Svenna Triebler
Vielleicht wäre alles nur halb so schlimm, wenn Inkompetenz wenigstens riechen würde. Muß ja kein ausgewiesen übler Gestank sein, nur einer, der einem gleich klarmacht: Halt, stopp, hier müffelt es jetzt gerade sehr nach Nichtwissen und Nixkönnen. Ganz besonders doll würde es immer dann riechen, wenn Bundesregierungen Beschlüsse zum Thema Internet fassen.
Aber von vorn: Seit dem 1. April leistet sich die Bundesrepublik ein "Nationales Cyber-Abwehrzentrum", bei dem es, wie immer, wenn das eigentlich "Steuerung" bedeutende Präfix benutzt wird, um das Internet geht. Das bekanntlich ein finsterer Ort ist, in dem es vor Unholden und Gefahren nur so wimmelt. Und weil irgendwer der Bundesregierung erzählt hat, daß man sich mit etwas namens "Nationales Abwehrzentrum zur Verhinderung bösartiger und schändlicher Angriffe aus dem Internet auf Regierungscomputer" eher lächerlich machen würde, entschied man sich dann für eine hippere Variante: Cyber-, das kennt man ja vom gleichnamigen -mobbing und den -wars und überhaupt.
Vielleicht hoffte man auch, bei Nerds Assoziationen wie diese zu wecken: Der riesige Bildschirm, der die komplette Stirnwand des abgedunkelten, riesigen Raums einnimmt, in dem bärtige Informatiker vor sich hinwerkeln, wird plötzlich gleißend hell. "We have incoming", ruft einer der Männer, während auf dem Monitor eine Gestalt erscheint und verkündet: "All your base are belong to us." Für eine Sekunde herrscht Totenstille, dann bricht konzentrierte Aktivität aus. Denn die im Raum versammelten Spezialisten bilden jetzt die letzte Bastion zwischen der freien Welt und den Horden der Finsternis.
In Wirklichkeit ist natürlich alles ganz anders geplant: Zehn Mitarbeiter, sechs vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sowie jeweils zwei vom Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe sollen nicht etwa Scriptkiddies, sondern Angriffsprogramme wie Stuxnet entdecken und aufhalten.
Was hingegen gemeine Hacker mit anderer Leute Rechner anstellen können, machte der Regierung bereits 2007 so große Sorgen, daß in der BRD ganz offiziell Hackertools verboten wurden: also genau die Instrumente, mit denen Programmierer Sicherheitslücken aufspürten, die zum Ausspähen von Computern benutzt werden konnten. Aber halt, nein, das ist natürlich ein vollkommen unzulässiger Vergleich, schließlich reden wir hier über - ja, was eigentlich? Daß wirklich krasse Angriffe zum Teil Jahre dauern, weil sie eben nicht einfach so erkannt werden (und schon gar nicht von zehn Beamtenhanseln)? Oder vielleicht doch darüber, daß es für Cyberangriffe ein anderes Wort gibt, nämlich Lauschangriff? Oder lieber darüber, welcher Geruch am besten vor Inkompetenz warnen könnte?