Die Liebe dauert oder dauert nicht / An dem oder jenem Ort. Vom 31. März 2011 datiert ist dieses Billet doux:
Sehr geehrter Herr Gremliza,
was ist heute ein guter Bürger? Diese Frage stellt das "Hamburger Abendblatt" 40 ausgewählten Hamburger Künstlern, Autoren, Literaten, Kultur-Machern, Musikern, Unternehmern und anderen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Anlaß ist das Jubiläum der "Zeit"-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius, die der Politiker, Jurist und Verleger Gerd Bucerius vor 40 Jahren in Hamburg gegründet hat.
Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie für uns darüber nachdenken und die Frage beantworten könnten, was heute ein guter Bürger ist, was ihn in unserer Gesellschaft auszeichnet und charakterisiert.
Besteht zum Beispiel die Gefahr, daß bei der heute typischen Fixierung auf ökonomischen Erfolg, persönliches Wohlergehen und gesellschaftliche Anerkennung nur noch der einzelne zählt und das Ganze aus dem Blick gerät? Lohnt das Engagement für andere und ihre Nöte, für Veränderung und Nachhaltigkeit? Warum setzen sich Menschen überhaupt für unterschiedliche Ziele und Projekte ein, ohne daß sie die dafür nötige Zeit oder die aufgewendeten Mittel vergolten bekämen? Gibt es womöglich eine "geistige Rendite"?
Und noch eine Bitte: Ihre Antwort sollte prägnant, gern auch zugespitzt und vielleicht sogar provokant sein. Vor allem aber darf sie nicht lang sein, bitte schreiben Sie allerhöchstens (!) 340 Anschläge, inklusive Leerzeichen. Dürfen wir auf Sie zählen? Bitte lassen Sie es uns bis zum 31. März wissen. Ihre Antworten bräuchten wir bis zum 8. April. Haben Sie vielen Dank im voraus.
Mit herzlichem Gruß
Karin Franzke, Kulturredaktion
Weil sie ein paar Tage vergebens auf Antwort warten mußte, begann Springers Stalkerin am 5. April zu drängeln:
Lieber Herr Gremliza,
ich hatte eine Anfrage gestellt, ob Sie sich an einer Doppelseite im "Hamburger Abendblatt" zur Frage "Was ist ein guter Bürger?" beteiligen. Nun wollte ich noch einmal nachfragen, ob wir bis Freitag, 8.4., 12 Uhr, mit dem kurzen Statement rechnen dürfen. Herzlichen Dank für Ihre Mühe.
Mit freundlichen Grüßen, Karin Franzke
Und am 6. April schon wieder:
Lieber Herr Gremliza,
es tut mir leid, aber ich muß noch einmal nachhaken:
Dürfen wir mit einer Stellungnahme von Ihnen zum Thema Bürger rechnen? Über einen Rückruf - oder gar einen Text - heute noch würde ich mich sehr freuen. Sollte ich nichts von Ihnen hören, müssen wir einen anderen Hamburger um ein Statement bitten. Uns läuft nämlich etwas die Zeit davon ...
Danke für Ihre Mühe!
Mit freundlichen Grüßen, Karin Franzke
Ja da kann man sich doch nicht einfach hinlegen, ja da muß man kalt und herzlos sein:
Sehr geehrte Frau Franzke,
gerührt, von Ihnen als einer der vierzig Künstler, Literaten, Kultur-Macher, Musiker, Unternehmer und anderen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens auserwählt zu sein, die für Sie über die Frage nachdenken dürfen, was heute ein guter Bürger ist, was ihn in Ihrer Gesellschaft auszeichnet und charakterisiert, ob die Gefahr besteht, ob das Engagement lohnt, und das alles prägnant, gern auch zugespitzt und vielleicht sogar provokant, aber in nicht mehr als allerhöchstens (!) 340 Anschlägen, muß ich Sie doch fragen, ob Sie sich vor der Versendung von Briefen nicht wenigstens oberflächlich erkundigen, wer Ihre Adressaten sind und was sie tagaus, tagein treiben, um in meinem Fall von einem Ihrer älteren Kollegen zu erfahren, daß der Gremliza zu Zuspitzung und Provokation nicht extra animiert werden muß und er den Gerd Bucerius vielleicht deshalb für einen guten Bürger hält, weil der tot ist.
Mit freundlichen Grüßen
Gremliza
War nun Ruhe im Puff? I wo:
Sehr geehrter Herr Gremliza,
wie schön, von Ihnen zu lesen. Auch wenn Sie mich gleich beschimpfen ... Natürlich weiß ich, wer Sie sind und was/wie Sie schreiben. Vielleicht aber sehen Sie es mir und dem "Abendblatt" nach, daß wir unsere Anfrage möglichst präzise stellten. So eine Doppelseite mit 40 Persönlichkeiten will ja geplant und sortiert werden. Heißt das aber im Klartext, ich soll diese Antwort als Absage werten?
Mit freundlichen Grüßen, Karin Franzke
Axel Springer AG, Hamburger Abendblatt
Und an diesem Mittag wird es still sein am Hafen / Wenn man fragt, wer wohl sterben muß / Und dann werden Sie mich sagen hören: Alle! / Und wenn dann der Kopf fällt, sag ich: Hoppla! / Und das Schiff mit acht Segeln / Und mit fünfzig Kanonen / Wird entschwinden mit mir. Oder so ähnlich.
Bamberg, 5. Mai, Balthasar (Balthasargäßchen 1), 20 Uhr: Erich Später spricht und diskutiert über sein Buch Villa Waigner. Hanns Martin Schleyer und die deutsche Vernichtungselite in Prag 1939-45 (konkret texte 50)
Hamburg, 10. Mai, Literaturhaus Hamburg, 20 Uhr: Toter Salon (Vol. 102): Wenzel Storch zeigt eigene Filme
Freiburg, 18. Mai, Buchhandlung Jos Fritz (Wilhelmstraße 15), 20 Uhr: Jens Hoffmann liest aus seinem Buch "Aber wenn ich werd' schreien, wird besser sein?" Die Lebensgeschichte der lettischen Jüdin Ruth Fridlendere (konkret texte 46/47).