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Die Kinder-Website der Bundesregierung stellt keine intellektuelle Überforderung für den Nachwuchs dar.

Von Philipp Schmidt

Die Bundesregierung hat nicht nur einen twitternden Regierungssprecher, der als digitaler Hofnarr gelegentlich für Heiterkeit sorgt - nach dem Tod Osama Bin Ladens zwitscherte er im Namen der Kanzlerin versehentlich durchs Web 2.0: "Obama verantwortlich für Tod tausender Unschuldiger". In Sachen Klamauk und Kasperletheater bedient die Spitze des Staatsapparats online auch sonst eine Klientel, die altersbedingt noch keine Wahlkabine von innen gesehen hat und dennoch längst zum Zielobjekt des Politmarketings geworden ist. "Regierenkapieren.de", so nennt sich "die junge Seite der Bundesregierung", deren Nutzung für die künftigen Wutbürger ungefähr so aufregend sein dürfte wie Michael Schanze auf Ritalin.

"Seit kurzem bin ich Außenminister von Deutschland. Das heißt: Ich bin häufig auf Reisen." - "Ey Mudda! Was'n das für'n fertiger Honk?" Diese berechtigte Frage kann einem 13jährigen auf Bildungsgutscheinentzug schon mal in den Sinn kommen, wenn er, nach einer Session Counter-Strike oder World of Warcraft, versehentlich auf "Regierenkapieren.de" stößt und Guido Westerwelles Posting unter der Rubrik "Das Kabinett" checkt. Dort gibt auch Dirk Niebel, Bundesminister für Entwicklung, denen, die wirklich nichts Besseres zu tun haben, Auskunft über sein Politikverständnis: "Meine Lieblingssportart ist übrigens Rugby. Das ist eine alte Familientradition und hat auch Ähnlichkeiten mit der Politik. Beides ist Raufen nach Regeln." Frei nach Max Weber also: "Politik ist das Streben nach Machtanteil - bis einer heult."

Die Website, die so infantil daherkommt, wie ihre Zielgruppe wohl nie gewesen ist, stellt außerdem ein Interview zur Verfügung, das zwei Kinderreporter mit Angela Merkel geführt haben. Angie reist besonders gern nach China, "weil es da ja so schöne Pekingente gibt". Die ganz große Weltpolitik auf Teletubbie-Niveau.

Neben den Rubriken "Entdecken", "Informieren" und "Fragen" darf die Kategorie "Spielen" natürlich nicht fehlen. Da wird's dann richtig interaktiv. In einem Quiz können sich die vorpubertären Frühbürger als "echte Regierungsexperten" qualifizieren. Dazu müssen etwa bestimmte historische Geschehnisse oder politische Programme einer Kanzlerschaft zugerechnet werden. Also etwa: "Klimaschutz, Sanieren, Reformieren, Investieren, Reformen für Europa" gehört zu: Helmut Schmidt? "Das war leider noch nicht ganz gut. Am besten, du schaust dir unsere Animation zum Kabinett und zu den acht Bundeskanzlern noch einmal an!" Strafe muß sein!

Kinder, die wissen wollen, was die Bundeswehr im Ausland macht, warum der Staat so viele Schulden hat oder wozu Entwicklungshilfe gut ist, sollten sich von dieser Website unbedingt fernhalten. "Regierenkapieren.de" ist, wen wundert's, "just another brick in the wall".

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