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Kein Frieden mit links

Von Philipp Schmidt

Nachdem die Sozialwissenschaftler Samuel Salzborn und Sebastian Voigt mit einem knappen Aufsatz, irreführend allerorten als "Studie" bezeichnet, den Antisemitismus der Linkspartei zum öffentlichen Diskussionsthema befördert haben, wird über die Sache viel geredet: in den Blättern, in Talkrunden, im Bundestag; und jetzt sogar in der Linkspartei. Nachdem Gregor Gysi anfangs von bloßen "Behauptungen" sprach, die "schlicht Blödsinn" seien, und Luc Jochimsen die Vorwürfe als "verleumderisch" von sich und der Partei wies, verabschiedete die Bundestagsfraktion angesichts des steigenden öffentlichen Drucks einen "Dreipunktekatalog gegen Antisemitismus" - "einstimmig", wie man sich rühmte. Daß diese Einstimmigkeit nur zustande kam, weil mehr als zehn Abgeordnete den Raum verließen und andere drohten, rüberzumachen zur SPD, sollte der Beschluß nicht verabschiedet werden, wird als Randnotiz weitergegeben.

Warum die Parteiführung eine öffentliche Auseinandersetzung mit dem Thema anfänglich gemieden hat wie Norman Paech den klaren Gedanken, zeigte sich in den vergangenen Tagen überdeutlich. Die Linkspartei ist sich nämlich uneinig, wenn es um Boykottaufrufe gegen Israel, die Teilnahme an Hamas-Hilfsflotten und die Infragestellung der Souveränität des jüdischen Staates geht. Das allein ist ein Skandal. Daß der Parteivorstand nun halbherzig, rein symbolisch und zynisch auf die Vorwürfe reagiert, zeigt einmal mehr, daß die Genossen Antisemiten in der Linken - das gilt übrigens auch für nicht geringe Teile ihrer außerparlamentarischen Variante - nicht so schlecht aufgehoben sind, wie man naiv annehmen könnte.

Als Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden, nochmals zusammenfaßte, was ohnehin schon jeder wußte, daß nämlich einige Funktionäre der Linkspartei einen "geradezu pathologischen, blindwütigen Israel-Hass" auslebten, flogen Parteichef Ernst die letzten Tassen aus dem Schrank: Graumann solle doch bitteschön "die Niederungen der Parteipolitik schnell wieder verlassen", die Vorwürfe seien "vollkommen unangemessen". Was angemessen ist und was nicht, was Juden dürfen und was nicht, in Israel und hierzulande, das bestimmen bitteschön immer noch deutsche Volksvertreter. Der aufgeblasene Ernst denkt nicht im Traum daran, sich für die Högers, Paechs, Dierkes und Groths, die sich in seiner Partei tummeln, zu schämen und öffentlich zu entschuldigen. Wenn Klaus Ernst die Birne glüht, dann gewiß nicht aus Scham, sondern weil er vor Wut zu platzen droht: "Ich lasse es nicht zu, daß unsere Mitglieder diffamiert werden."

Auch Gregor Gysi hat mit den antisemitischen Ausfällen der Parteimitglieder an sich kein besonderes Problem, denn: Es gibt gar keinen Antisemitismus in der Linken, allenfalls "zu viel Leidenschaft bei der Kritik an Israel". Und "leidenschaftliche Kritik" ist bekanntlich nicht zu verurteilen, sondern gewissermaßen eine linke Tugend, hochehrenwert und meistens besonders mutig. Außerdem hat Gysi kürzlich einen zweiten Beschluß angekündigt, in dem die angeblich "inflationäre Verwendung" des Antisemitismusvorwurfs kritisiert und die Legitimität der Kritik an der israelischen Politik betont werden soll. Mit dieser Doppelbeschlußstrategie versucht nun die Parteiführung den Laden zusammenzuhalten, um den Preis, daß alles so bleibt wie es ist und den Hobby-Dschihadisten die Absolution erteilt wird.

Bodo Ramelow, Fraktionschef der Linken in Thüringen, hat sich mit einem ganz anderen, spektakulären Vorschlag weit aus dem Fenster gelehnt: Die Linkspartei solle das Existenzrecht Israels in ihrem neuen Grundsatzprogramm verankern. Was daraus werden könnte, scheint Ramelow bereits zu ahnen: "Es wäre schön, wenn wir uns darauf einigen könnten, das Existenzrecht Israels nicht zu debattieren." Ein frommer Wunsch, Herr Ramelow. Ich hätte auch einen: Es wäre schön, wenn wir uns darauf einigen könnten, einmal ernsthaft das Existenzrecht der Linkspartei zu debattieren.

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