Die faulenzenden Südeuropäer sollen gefälligst später in Rente gehen und weniger Urlaub machen, meint Angela Merkel. Sie will daher die Agenda 2010 am liebsten der gesamten EU verordnen (siehe dazu Ralf Schröders Beitrag ab Seite 18 im aktuiellen Heft). Allerdings sind es mehrheitlich die Deutschen, die sich im Sommer an den Küsten der europäischen Pleitestaaten davon erholen, daß sie das restliche Jahr damit verbringen, im Kampf um den Titel des Exportweltmeisters die Verlierer des Euro-Raums weiter in den Ruin zu treiben. Aus diesem Grund erwartet die Leser als Illustration zum Schwerpunktthema Europa eine Bildstrecke mit Strandimpressionen von beliebten deutschen Reisezielen.
In Spanien sind es dagegen die Arbeitslosen, die campen gehen, wie Thorsten Mense in seinen Anmerkungen zur dortigen Protestbewegung festgehalten hat (Seite 22 der Printausgabe). Jörg Kronauer und Stefan Frank befassen sich ab Seite 12 beziehungsweise 15 mit den wirtschaftlichen Ursachen und Folgen der Euro-Krise, Werner Heine mit der Geschichte und Zukunft des gemeinsamen Schengen-Raums (Seite 24). Ann Löwin und Wassilis Aswestopoulos berichten schließlich auf den Seiten 20/21, wie die gesellschaftlichen Spannungen in Griechenland rassistische und antisemitische Ausbrüche befördern.
Nichts ist in dieser Ausgabe dagegen über den sogenannten Korruptionsskandal im Weltfußballverband Fifa zu lesen. Denn dazu hat Martin Krauß schon in KONKRET 1/11 alles Nötige geschrieben:
Die Fifa sei korrupt, ist zu hören, Rußland und Katar hätten nur dank Bestechung den Zuschlag erhalten. Als ob nicht bekannt wäre, daß alle, wirklich alle Bewerber um solche Großereignisse wie Fußball-WM und Olympische Spiele bestechen, daß dies eine conditio sine qua non ist, ähnlich wie die pünktliche Abgabe der Bewerbungsunterlagen.
Wie so oft im Leben, kommt man mit ökonomiekritischen Erklärungen weiter, wenn es um die Erklärung solcher Phänomene geht. Zumal die Fifa kein Geheimnis daraus macht, daß es ihr um die Eroberung neuer Märkte geht. Die Fifa agiert schließlich als Monopolist auf dem Fußballsektor des Weltmarkts, bei dem es vor allem um Fernsehrechte geht. Je beliebter der Fußball auch in Rußland und dem Nahen Osten, desto höher sind die Lizenzeinannahmen. So einfach ist das.
Statt um die Fifa geht es in diesem Heft tatsächlich um den Ballsport: Marit Hofmann befaßt sich mit dem Thema Depression im Profifußball, und die ehemalige Bundesligaspielerin Tanja Walther-Ahrens spricht im Interview (Printausgabe, Seite 44) über Frauenfußball, Coming-out im Leistungssport und "schwule Pässe".
In Alex Feuerherdts Beitrag über die Erstürmung der israelischen Grenzen (Printausgabe, Seite 35-37) hat sich ein Fehler eingeschlichen: Die türkischen Parlamentswahlen finden nicht, wie dort zu lesen, am 7. Juli statt, sondern wurden bereits am 12. Juni abgehalten. Das Lektorat übt Selbstkritik und gelobt Besserung.
Die Linkspartei streitet weiter darüber, ob sie Israel gnädigerweise ein Existenzrecht zugestehen soll und was überhaupt Antisemitismus sei. Bei Redaktionsschluß hatte die Debatte gerade erst Fahrt aufgenommen; Philipp Schmidts Beitrag zum Thema wurde daher für die KONKRET-Homepage noch einmal aktualisiert und ist nun hier (im archiv) nachzulesen. Fortsetzung folgt.
Die soziale Marktwirtschaft wird durch den Raubtierkapitalismus ruiniert, McDonalds vergiftet den gesunden Volkskörper, und Anglizismen versauen die Sprache Schillers und Goethes. Daß die USA schuld sind am Untergang des Abendlands, wenigstens darüber ist man sich in Europa einig. - Der Politikwissenschaftler Andrei S. Markovits zeigt in seinem Buch Amerika, dich haßt sich's besser. Antiamerikanismus und Antisemitismus in Europa (konkret texte 40), daß der grassierende Antiamerikanismus wenig mit dem realen Handeln der Vereinigten Staaten, dafür aber viel mit der Projektion eines halluzinierten Gegen-Europas zu tun hat. Am 4. Juli ist Markovits an der Uni Stuttgart zu Gast. Er hält dort, im Hochhaus K 1, sechster Stock, Raum 11.62, einen Vortrag zum Thema. Beginn 19 Uhr.
Am 6. Juli findet in Berlin eine Veranstaltung mit Jörg Kronauer zum Thema "Weder Deutschland noch EU! Wie kann eine linke EU-Kritik aussehen?" statt: um 20 Uhr, Zielona Gora, Grünberger Straße 73.