Wenn Unionspolitiker und das Internet aufeinandertreffen, geht das selten gut.
Von Svenna Triebler
Daß es Trolle (Wikipedia: »In der Netzkultur für eine Person verwendet, die mit ihren Beiträgen in Diskussionen stark provoziert. Ziel ist das Stören der an einem Sachthema orientierten Kommunikation und das Erlangen von Aufmerksamkeit.«) auch jenseits des Internets gibt, bewies unlängst der CDU-Hinterbänkler Ansgar Heveling in einem Beitrag im »Handelsblatt«. Mit ebenso wirren wie martialischen Worten verteidigte er die US-Gesetzesentwürfe Sopa und Pipa (siehe dazu Seite 37 der Printausgabe) gegen die »Netzgemeinde«: »Ihr werdet den Kampf verlieren ... Es stellt sich nur die Frage, wieviel digitales Blut bis dahin vergossen wird.« Da das Abendland laut Heveling dem Untergang geweiht ist, wenn das Downgeloade von Musik und Filmen nicht aufhört, suchte er unter Wutbürgern der Historie nach Verbündeten: »In den Gassen von Paris 1789 wurde die Idee des geistigen Eigentums geboren« (Liberté, Egalité, Propriété, wir erinnern uns), um dann endgültig in die Realsatire abzudriften: »Bürger, geht auf die Barrikaden und zitiert Goethe, die Bibel oder auch Marx. Am besten aus einem gebundenen Buch!« Vielleicht hätte Heveling besser mal bei Marx – gemeinfrei seit 1953 – nachgeguckt, was dieser über das »Eigentumsverhältnis als unmittelbares Herrschafts- und Knechtschaftsverhältnis« (MEW 25, zitiert nach www.mlwerke.de) zu sagen hatte.
Manches aber möchte man nicht mal gedruckt geschweige denn gratis im Netz lesen. Etwa das, was Hevelings Parteikollegin Erika Steinbach so twittert, wenn sie ihre rechte Hand mal wieder nicht im Zaum halten kann: »Die NAZIS waren eine linke Partei. Vergessen? NationalSOZIALISTISCHE deutsche ARBEITERPARTEI …« Es folgte, was kürzlich im Blog des Sprachwissenschaftlers Anatol Stefanowitsch zum Anglizismus des Jahres gekürt wurde – ein Shitstorm: Schnell machte im Web das Foto eines Zettels in der Uni Regensburg die Runde: »Suche dringend Nachhilfe in Geschichte. Insbesondere deutsche Geschichte von 1933 bis 1945«, versehen mit Steinbachs Konterfei und Twitteraccount; sie wiederum twitterte tagelang mit NPD-Antifa-Gleichsetzungen gegen die roten Horden an und versuchte es dann mit dem in ihren Kreisen beliebten Schlußstrich: »Alle Linken sind aus ihren Löchern gekommen. Provokation hat sich gelohnt!!!!!« Daß der Duktus dieses Posts an einen bekannten deutschen Propagandaminister erinnert, war sicher keine Absicht, schließlich verortet Steinbach sich nach eigener Logik ja rechts von dessen Partei.
Angesichts der Trollereien von Steinbach und Heveling, die je auf ihre Weise eher die Regel denn eine Ausnahme für die Unionsparteien sind, möchte man sich deren Forderung nach Netzsperren für Internetsünder fast anschließen. Oder um den einzigen klugen Spruch zu zitieren, den Dieter Nuhr jemals von sich gegeben hat: »Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fresse halten.«