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von Peter Kusenberg

Anlegerstau, Mauscheleien, technische Probleme – und dann der Kurssturz: Der Börsenstart von Facebook geriet zur mittelschweren Pleite. 14 Milliarden Dollar Aktienkapital gingen verloren. Dabei hatte sich Gründer Mark Zuckerberg gewiß ausgemalt, wie er demnächst Yahoo, Rim oder Activision übernimmt, um Facebook auf ähnliche Weise zu diversifizieren wie einst Google mit Youtube.

Zuckerbergs Firma betreibt eine Software, in der Menschen Fotos, Videos und Texte anderen Mitgliedern herzeigen und deren Online-Krempel mit einem Anhalterdaumen als wohlgefällig kennzeichnen. Zwar ist die Beschaffenheit der Waren im Kapitalismus für das System selbst wurscht, doch ideologische Beständigkeit und logistische Bequemlichkeit der Klientel führen zu einer relativ gleichförmigen Nachfrage nach bestimmten Produkten: Die Dreckschleudern der Automobilkonzerne verkaufen sich überdurchschnittlich gut in Großstädten mit engmaschigem ÖPNV, die katholische Kirche macht den größten Reibach bei den Armen, und die Software-Stümper von Microsoft brauchen nicht zu befürchten, daß die Realwirtschaft Windows und Word durch Linux und Libre Office ersetzt.

Demgegenüber erscheint das Warenportfolio von Facebook ephemer. Das Affirmation erheischende Netzwerk ist ein Freizeitangebot für Menschen, die lieber digitale Säue durchs virtuelle Dorf treiben, als ein Buch zu lesen oder Kuchen zu backen. Die Konkurrenz ist zahlreich und das Publikum launisch, wie zuletzt die Verlagsgruppe Holtzbrinck bewies, als sie ankündigte, Dutzende Mitarbeiter der VZ-Netzwerke zu entlassen. Der Datenschutz bei Facebook ist heikel. Der Kreditauskunftsdienst Schufa durchschnüffelt die Datenbestände, Firmenchefs kontrollieren auf Facebook ihre Mitarbeiter, während das Unternehmen Anfragen der Nutzer damit beantwortet, daß es deren Mobiltelefonnummern speichert.

Trotz aller Argumente gegen ein langfristig gedeihliches Wirtschaften von Facebook & Co. können es die Investoren kaum erwarten, ihre Penunzen weiterhin in Luftschlösser zu investieren. Sie lassen sich nicht abschrecken von der erbärmlichen Börsenperformance des Schnäppchenzuhälters Groupon und dem 15prozentigen Wertverlust der Twitter-Anteilsscheine, sie zucken mit den Achseln, wenn sich der Aktienkurs des Facebook-Spiele-Herstellers Zynga binnen sechs Monaten halbiert. Ein hübsches Börsenkapitalgrab könnte die Social-Media-Klitsche Pinterest sein, die aktuell mit 1,5 Milliarden Dollar taxiert wird.

Marx’ Wort vom Börsenkapitalismus als »kolossalem Spiel- und Schwindelsystem« drängt sich auf, wenn man sieht, was die Napster-Gründer auf die Beine gestellt haben. Nachdem ihnen Bertelsmann im Jahr 2000 die mit Klagen überschüttete Tauschbörse abgekauft hat, starten sie aktuell mit Airtime ein Videochatportal für Leute, »die von Facebook gelangweilt« sind. Über 30 Millionen Dollar haben die beiden Spitzbuben eingesammelt – für ein Quatschportal im Stile des Pimmelvorzeigedienstes Chatroulette. Chapeau!

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