Jürgen Roth seziert die erniedrigende Sprache gegenüber Flüchtlingen
Es ist ja nicht nur so, dass »Bild Frankfurt « vor, ja: vor dem nicht aus der Welt zu schaffenden Karneval stellvertretend für den sonstigen »Großjournalismus« (Stephan Hebel) und für den faschistischen Pöbel phantasierte und delirierte und per Titelzeile aufwiegelte: »Migranten-Massen, die über Fastnachts-Frauen herfallen!« Und es ist ja auch nicht nur so, dass die Flüchtlinge wie weiland im Nationalsozialismus die »Untermenschen « Tag für Tag in Naturmetaphern verschwinden – allein am 1. Februar hab’ ich, nebenher lief der Fernseher, »schwappen «, »Welle«, »Lawine«, »Strom« und »anschwellen« notiert. Sondern seit A. Merkels abermals überwältigender Parteitagsrede am 30. Januar in Neubrandenburg ist der sogenannte öffentliche Diskurs zudem um eine bis dato der politischen Rede fremde Schufterei reicher. Ab jetzt kann aus allen Rohren geduzt werden: »Wir erwarten, dass, wenn wieder Frieden in Syrien ist, wenn der IS im Irak besiegt ist, dass ihr auch wieder mit dem Wissen, was ihr jetzt bei uns bekommen habt, in eure Heimat zurückgeht.«
Abgesehen davon, dass dieser Satz selbstverständlich ein einziges stilistisches Trümmerfeld ist: Hoffähig gemacht hat diese unsere Unbegreifliche das ekelerregende Ikea-Deutsch, in dem eine durch und durch geheuchelte Nähe oder Intimität, ein vollends verlogenes Interesse am anderen die in bürgerlichen Usancen wenigstens formal gewahrte würdevolle Distanz als Voraussetzung für respektvollen Umgang ersetzt.
Die Entmündigung der Verfolgten und der Opfer imperialistischer Kriege zu Rabenkindern, die man wie Rotzbengel behandelt, ist die Rückseite jener entleerten, toten Technokraten- und Verwaltungssprache, die Menschen zu Objekten, zu Dingen, zu Material degradiert und die niemand so beherrscht wie die Bundeskanzelrednerin. Man braucht nicht Victor Klemperer gelesen zu haben, um den Terror zu erspüren, der sich in Merkelschen Formulierungen wie »dass wir das jetzt Realität werden lassen« und »zur Durchführung bringen« verpuppt.
Simone Peter von den gar zu famosen Grünen sprach am 1. Februar davon, »dass Angriffe auf Flüchtlingsheime vorgenommen werden«. Na siehste. Das Klima in diesem Lande ist »ein nach vorne gerichtetes Klima« (Merkel, 2010), und da bleibt eben dies nicht aus: »Viele Menschen werden heute am Einbringen ihrer Möglichkeiten gehindert«, zuvörderst halt all diese Araber und Halbneger.
Laut dem Kotzbrocken Markus Söder hat es sich mit der »Euphoriekultur«, und ab sofort obwaltet die »Ablehnungskultur der AfD« (ZDF), ja die, jubiliert Berthold Kohler in der »FAZ«, »Verabschiedungskultur « – und zwar als altneudeutsche Leit- und Abschiebe- und Abschießkultur.
Jürgen Roth