Im Fall Gurlitt hat die Taskforce »Schwabinger Kunstfund« ihren Abschlussbericht vorgelegt.
Von Rolf Surmann
Rund 1.250 Kunstwerke beschlagnahmte die Münchner Polizei in der Wohnung von Cornelius Gurlitt, Erbe des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt. Knapp 500 dieser Werke stehen unter Raubkunstverdacht. 118 Menschen meldeten als Besitzer oder Erben Ansprüche an. Vier Bestätigungen wurden ausgestellt, zwei Kunstwerke zurückgegeben. Die Untersuchung der übrigen ist nicht abgeschlossen. Das sind Kennzahlen aus dem Abschlussbericht der Taskforce »Schwabinger Kunstfund«, die nach anderthalb Jahren staatlichen Schweigens über diesen Fund aufgrund internationalen Drucks eingerichtet worden war.
Die Resonanz fiel gedämpft aus. Zwar titelte die »FAZ« unverdrossen: »Wo ist denn hier die Blamage?«, doch der allgemeine Tenor pendelte sich auf »Magere Bilanz« (»Tagesspiegel«) ein. Das überrascht nicht. Denn die Dimension des Falls hatte die Legende von einer angemessenen Rückerstattungspolitik nach 1945 für einen Augenblick als das erscheinen lassen, was sie tatsächlich ist: eine Lügengeschichte. Dass die auf internationalen Druck hin eingerichtete »Taskforce« so wenig darüber hinwegtäuschen konnte, ärgert natürlich.
Bei der Übergabe des Berichts teilte Kultusministerin Monika Grütters jedoch auch mit, dass die Herkunftsrecherche mit dem Abschlussbericht nicht eingestellt, sondern im Rahmen des neu eingerichteten Deutschen Zentrums für Kulturgutverluste fortgeführt werde. Seine Gründung leitet eine neue Etappe in der deutschen Restitutionspolitik ein. Denn jetzt werden erstmalig Voraussetzungen für eine systematische Provenienzforschung geschaffen.
Die erste von den Alliierten aufgezwungene Phase in den fünfziger Jahren war von zähen Versuchen geprägt, die Beraubten mit Hilfe eines ungezügelten Antisemitismus zu diskreditieren und in Einzelfällen zu kriminalisieren. Als nach mehr als 50 Jahren der »Ruhe« die Bundesrepublik 2008 das »Washingtoner Abkommen« unterzeichnen musste, war die neue Variante der Restitutionsverweigerung von Kulturgütern: Die Beraubten bleiben grundsätzlich vom »Goodwill« und konkret von der Kooperationsbereitschaft (Provenienzüberprüfung) der Tätergesellschaft abhängig. In Zukunft wird »ausgewogen« geforscht: für die Zeit vor 1945 und – Stichwort: deutsche Verluste durch sowjetische Beschlagnahme – nach 1945. Wie der Fall Gurlitt zeigt, ist damit keineswegs sichergestellt, dass die NS-Geschädigten zu ihrem Recht kommen. Doch deutsche »Kunstschützer« werden – falls sie jemals wieder ehemals sowjetischen Boden betreten sollten – wissen, wo sie zu suchen haben.
Rolf Surmann