Elke Wittich über bezahltes Onlinedating
Dass das, was früher Eheanbahnungsinstitut und heute Dating- oder Flirtportal heißt, so eine Art fünfter Höllenkreis sein dürfte, bedarf keiner großen Kombinationsgabe; es reicht, hin und wieder Zeitungsartikel über unschöne Erlebnisse meist weiblicher Kunden mit meist männlichen Trotteln zu lesen und sich dazu an die chronisch mangelnden Umgangsformen der Netizens zu erinnern. Wie es sein mag, wenn zwei, die sich gar nicht richtig kennen, verabreden? Wahrscheinlich nicht großartig anders als das spontane Essengehen mit einem entfernten Bekannten oder Kollegen, das sich ungeplant zu einer Art Bewerbungsgespräch um den Platz an seiner Seite oder auch nur in seinem Bett entwickelt – wobei es ja für spätere Smalltalks im Seniorenheim nicht schaden kann, wenn man schon mal skurrile Erlebnisse sammelt. Wie das, bei dem der Mann gegenüber einem plötzlich tief in die Augen zu blicken versucht und sagt: »Erzähl mir deine Geschichte.« Und er umgehend, während man noch überlegt, ob man den vorhersehbaren weiteren Verlauf des Abends nicht abkürzen und ihm gleich eine knallen sollte, dazu anhebt, länglich seine Geschichte zu erzählen.
Das Internet wäre allerdings nicht das Internet, wenn alles, was ohnehin nicht funktioniert, nicht noch einmal neu erfunden und im Rahmen eines Startups als hippes neues Ding vermarktet würde. Und nachdem der Hack des Ashley- Madison-Portals im letzten Sommer offenbart hat, dass rund drei Millionen männliche Nutzer aktiv waren, aber nur ein paar Tausend Frauen und der Anbieter, um den Mangel auszugleichen, rund 50.000 Frauen vorspielende Flirt-Bots eingesetzt hatte – so soll das große Onlinedating-Problem per App gelöst werden. Bei Ohlala sollen die Userinnen ihre Profile nur für die Männer sichtbar machen können, an denen sie auch interessiert sind – und von ihnen für Treffen bezahlt werden. Wäre man bösartig, könnte man sagen, dass sich die Macher damit das Programmieren von Frauen-Bots ersparen, denn ob real existierende Userinnen da sind, erfahren die Männer so nicht – wird ja sicher an ihnen liegen, wenn sie nie Profile zu Gesicht bekommen.
Aktuell hat Ohlala jedenfalls nur lächerliche 1.087 Facebook-Likes. Die nach Deutschland expandierte US-Konkurrenz What’s your Price (»Ihr Portemonnaie hilft Ihnen, ein Date zu bekommen«) hat rund 3.000 mehr und wirbt damit, dass man schon 200.000 Treffen vermittelt habe. Dort gratuliert man auch gern prominenten Paaren zur Hochzeit – die sich garantiert nicht über eine App für kostenpflichtige Dates kennengelernt haben.
Elke Wittich