Wer in den ersten Maitagen dieses Jahres an dem Bürogebäude in der Altonaer Ehrenbergstraße 59 vorbeikam, muss die schwere Erschütterung gespürt haben, die das Weltbild der konkret-Redaktion erlitt, als sie vom öffentlichen Bekenntnis des Springer- Verlags zur Satire erfuhr, zu der er bis gestern nichts als eine unfreiwillige Beziehung als Objekt beziehungsweise verlängerter Schwanz unterhalten hatte. Und nun, aus heiterstem Himmel, feierte der Verlagschef Mathias Döpfner ein »Schmähgedicht«, in dem das Staatsoberhaupt eines Nato-Verbündeten ein Ziegenficker und Schlimmeres genannt war. »Ich möchte mich, Herr Böhmermann «, schrieb er, »vorsichtshalber allen Ihren Formulierungen und Schmähungen inhaltlich voll und ganz anschließen und sie mir in jeder juristischen Form zu eigen machen. « Das Gedicht diene dazu, »durch Maximalprovokation die Leute zu verstören, um sie darüber nachdenken zu lassen, wie eine Gesellschaft mit Satire und – noch viel wichtiger – mit der Satire-Intoleranz von Nichtdemokraten umgeht«.
In ihrer Not entschloss sich die konkret-Redaktion, dem neugeborenen Helden der Satire-Toleranz ein Gedicht zu widmen, in dem das, was er will, dass man es dem oder jenem tu, auch ihm zugefügt wurde. Unter dem Titel »Rotzdumm, verlogen, inkontinent« wurden 23 Verse lang Betrachtungen über Döpfners Dödel, eine Witwe, einen Schäferhund als Ersatzziege und ähnlich Ansehnliches angestellt. Weil aber der Anwalt die Redaktion warnte, dass auf Döpfners Satire-Toleranz vielleicht so wenig Verlass sei wie auf die Meldungen seiner Blätter und die Justiz ihrem Klassenkameraden gern zu Diensten sein werde, Kosten im fünfstelligen Bereich also nicht auszuschließen, müssen wir den Freunden der Satire unter unseren Leserinnen und Lesern leider raten, es doch selber mal zu versuchen. Und ihre eigenen Schmähgedichte, die bei Döpfners Verlag und Böhmermanns ZDF keine Chance haben, aufs Klo zu hängen. Es muss nicht das eigene sein!
Am 14. Juni wird Hermann Kant neunzig Jahre alt. In vierzig Beiträgen, Interviews und Gesprächen ist er seit 1978 in konkret zu Wort gekommen. Als Gruß zum Geburtstag des Dichters, den der Literaturbetrieb ausgebürgert hat (in der richtigen Erwägung, dass sein Werk in einer besseren Zukunft die Betriebsnudeln vergessen lassen wird), hier zur vorausschauenden Erinnerung aus seinem Roman Das Impressum das Porträt einer Marion Dönhoff, die der Autor als Vizepräsident des Schriftstellerverbands auf einer Reise durch die DDR begleitet hatte:
Die Gräfin war nicht nur von ältestem Geblüt, sondern auch vom jüngsten journalistischen Pfiff. Sie war im Osten geboren und im Westen zu Hause. Wenn sie Osten sagte, klang das wie Sattelzeug, und wenn sie Westen sagte, klang es wie Saint-John-Perse. Und wenn sie von Leuten sprach, unseren Leuten oder diesen Leuten da oder den Leuten daheim auf dem Hof oder jenen Leuten neulich in jenem Betrieb, so hatte das Wort die Gemütlichkeit einer Lodenjoppe und zeugte von der demokratischen Gesinnung etwa eines älteren Buddenbrook und war auch von der frischen Herzlichkeit, in die sich ein preußischer Oberst zu finden vermag, wenn er sich für voraussehbar längere Zeit von Ersatz und Entsatz abgeschnitten weiß und angewiesen bis Gedeih oder Verderb auf eben seine Leute. Sie war klug, konnte lachen und war von graubraunem Schick, und konnte jiddische Witze erzählen und Nordhäuser Korn vertragen und hatte über Adam Smith’ Verhältnis zu den Physiokraten promoviert. Sie war ein Feind von der gefährlichsten Art, es schien, es ließe sich mit ihr reden.
Diese Sätze gelesen habend meldet sich das Bedürfnis, die Gesammelten Werke der letzten zwanzig Nobel- und Büchnerpreisträger neben das Döpfner-Gedicht zu hängen. Ein Nachdruck eines 1993 erschienenen Textes von Hermann Kant über »verordneten Antifaschismus« findet sich auf Seite 42/43 in diesem Heft.
Richtigstellung: Aufgrund eines technischen Fehlers ist in Kay Sokolowskys Serie »Die Zukunft war gestern« im Maiheft ein falsches Erscheinungsjahr von Otto Basils schwarzer Messe der Science Fiction Wenn das der Führer wüsste angegeben. Das Buch erschien 1966, nicht 1953.
Die Prognose des Frühjahres stand im April in gremlizas express, wo es über den Gründer und Vorstandschef Günther Fielmann hieß, er habe seinen Sohn deshalb Marc getauft, weil er ihn zum späteren Leiter der Abteilung Marketing vorgesehen habe. Unklar sei, »welches dicke Ende der Optiker, der seinen Marc zum Marketing bestimmte, bei der Taufe seiner Tochter Sophie-Luise vorsah. Eine Abteilung für Sophiestication?« Vier Wochen später fragt ein Reporter Vater und Bruder: »Ihre Tochter Sophie ist auch für eine Position im Unternehmen im Gespräch?« Vater Fielmann: »Ja, wir würden uns freuen, wenn sie sich dafür entscheiden würde.« Sohn Fielmann: »Wir hoffen sehr, dass sie in die Firma kommt. Derzeit macht sie ihren Bachelor in Wirtschaftspsychologie. « Wenn das nicht die Voraussetzung für das Sophiestication Department ist.
Termin: Am 12. Juni um 20 Uhr diskutieren Thomas Ebermann und Georg Seeßlen im Hamburger Golem, Große Elbstraße 14, über den »Islamischen Staat«, den globalen Jihad und den war on terror.