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von konkret

Zum Titel dieser Ausgabe die Frage, ob Horst Seehofer seinen Dobrindt kommen lässt, um bei der Umdekoration des Polizeistaatsministeriums zum »Bundesministerium für Heimat« bajuwarische Herzchen in die Türen der Berliner Scheißhäusl zu sägen.

Jörg Meuthen, der den Unternazis der deutschen Medien als »gemäßigt« geltende Obernazi, hat die Parole ausgegeben: »Wir wollen weg vom links-rot-grün-versifften 68erDeutschland!« Die braune Botschaft wurde in konkret mehrfach zitiert und kommentiert (siehe in diesem Heft: »Einmal um die ganze Welt«, Seite 33). Was noch fehlt, ist die Erinnerung an das Verfahren gegen den »Rasse- und Bekenntnisjuden« Lehmann Katzenberger, den das Oberlandesgericht Nürnberg im März 1942 wegen »Rassenschande« als »einzig mögliche Antwort auf die Frivolität des Angeklagten« zum Tode verurteilt, das heißt: ermordet hat. Der Mörder, ein Landgerichtsdirektor namens Rothaug, hat den Angeklagten mehrfach einen »syphilitischen Juden« genannt. Eine Kurzform von Syphilis ist »Syph«, eine Ableitung »versifft«, sagt der Duden, den aber Meuthen, Gauland, Weidel und das übrige braune Gesocks, zur Rede gestellt, als kümmeltürkisches Machwerk abtun werden.

Als einen Vertreter des links-rot-grün-versifften 68er-Deutschland hat die Nazisse Weidel den gerade aus Erdoğans Haft freigelassenen Deniz Yücel identitär identifiziert: Er sei »kein Journalist« und »sollte eigentlich keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzen«. Das konnte Yücels Arbeitgeber, der ein Jahr lang den Gefangenen als Dauerwerbeträger für seine niedergehende »Welt« vorgeführt hat, nicht auf sich sitzenlassen. Der Axel-Springer-Verlag kam Weidel zwar ein Stück entgegen mit dem Eingeständnis, dass Yücel manchmal »zu heftige Salven« abschieße, was aber typisch deutsch sei, und nannte ihn eine »hessische Eiche«. Dass es sich bei Yücels Beitrag für die »Taz«, »Super, Deutschland schafft sich ab«, bloß um eine »Satire« gehandelt habe, sei »eigentlich jedem klar, der die Titelzeile liest«. Nur die AfD verstehe sie als Beweis für »extremen Deutschland- und Deutschenhass«. Dabei treibe Yücels Text »den gerade auf der extremen Linken kultivierten deutschen Selbsthass auf die Spitze«, um sich »deren Position scheinbar zu eigen« zu machen und sie zu überzeichnen, also eigentlich: zu  dementieren. Weil Yücel »ebenso leidenschaftlich streitet wie seine geistigen Ahnen« Heine, Börne und Tucholsky, »leidet er gelegentlich an seinem Deutschsein. Etwas Deutscheres als einen Autor, der an seinem Deutschsein leidet, gibt es nicht.« Eine Meinung, der sich der Streber Cem Özdemir im Bundestag nur anschließen konnte. Armer Yücel. Was muss er gelitten haben, als er 1993 am nichts als antideutschen konkret-Kongress teilnehmen und sich 19 Jahre später für die Kolumne (konkret 4/12), in der der extreme Selbsthasser Gremliza ihn zu dem Satz, Joachim Gauck habe sich ideologisch »zwischen Martin Walser, Erika Steinbach und Stefan Effenberg verortet – ein reaktionärer Stinkstiefel war er schon vorher«, beglückwünscht hatte, auch noch bedanken musste? Zum Trost nennt ihn jetzt ein reaktionärer Stinkstiefel aus dem Haus Springer »die hessische Eiche Deniz Yücel«, an der »sich ein paar AfD-Wildsäue schaben«. Es ist die nächste und vielleicht schwerste Prüfung eines Mannes, der ein Jahr in Erdoğans Gefängnis ausgehalten hat, ohne Döpfner, Poschardt oder sonstwie irre zu werden.

Dabei statt nur mittendrin war konkret im Mai 1977, als der frischgewählte Juso-Vorsitzende Klaus Uwe Benneter wegen eines Interviews, in dem er sich zu allerlei bösen Sachen bekannte, aus der SPD flog. Einige der Jusos von der »Stamokap-Fraktion«, die erst mal zu Benneter hielten, sollten sein Schicksal teilen, unter ihnen der Hamburger Genosse Scholz, Olaf, der – wie es in konkret 6/10 hieß – »in jugendlichem Übermut einen vom Parteivorstand ausdrücklich verbotenen Satz Lenins über die Rolle des Staates im Monopolkapitalismus sich angehört und fast verstanden hatte«. In der Nacht, als das Stamokap-Schwert des Ausschlusses über, nun ja: seinem Haupt schwebte, lernte Scholz fürs Leben, dass es nicht gut sei, anderer Meinung zu sein als alle andern, und bis heute erzählt er jedem vorbeitrottenden Lohnschreiber von seiner damaligen Dummheit und wieviel er doch dazugelernt habe. So dass selbst Hamburgs ehemaliger Bürgermeister Dohnanyi, der ihn vor zwei Jahren noch für eine Pfeife gehalten hat, nun des Lobes voll ist. Dem Jan Korte, Linkspartei, gestand er bei Phoenix: »Als ich Hamburger Bürgermeister war, war Olaf Scholz so links, wie Sie heute sind – heute ist er ein sehr vernünftiger Mensch.« Tiefer geht nicht.

Jüngstes Datum in der Erfolgsgeschichte der Elbphilharmonie, die der Pastor Gauck als »Juwel der Kulturnation« angepriesen hatte: nach Rolf Zuckowski (»In der Weihnachtsbäckerei«) und der zweistündigen Reise der Vicky Leandros mit ihrem Theo nach Łódź (AfD: Litzmannstadt) von der Gattin des früheren Bürgermeisters Dohnanyi handgereimter Schafscheiß zu Schuberts Musik und ein Potpourri aus »Ravel, Sting und albanischer Folklore« (»Der Beifall will nicht aufhören«, schrieb der Lokalanzeiger). Jetzt bangen die Veranstalter, dass ihnen der Kaiser von Mallorca das Juwel der hanseatisch-sozialdemokratischen Nationalkultur mit einem Livekonzert füllt. Und alle: »Das Oberbayern ist mein Schloss, der Ballermann mein Jagdrevier. Die schicken Straßen mein Zuhause, und irgendwann, da bleibe ich hier«, in der Elbphilharmonie. Die Laeiszhalle, das traditionsreiche Konzerthaus von 1908 am Johannes-Brahms-Platz, verwaist. Sie war trotz ihrer viel zu vielen 2025 Sitzplätze früher das Refugium für Musik, mit deren Hamburger Freunden nicht einmal die Herrentoilette des Bezirksamts Eimsbüttel zu füllen wäre.

All the news that’s fit to print: Wird jetzt zurückgehackt? Nach der jüngsten Hackerattacke auf das Regierungsnetz ist eine Debatte entbrannt, ob der deutsche Staat künftig auch Computer im Ausland angreifen soll.  BND-Zentrale in Berlin, Bürofläche: 260.000 Quadratmeter, Baukosten 1,086 Milliarden Euro, plus 206 Millionen für (insbesondere) IT-Ausstattung, Jahresetat: 536 Millionen. Und nun die Frage, ob der BND »künftig auch« im Ausland hacken soll. Journalismus oder Die Dummen der Nacht.

Am 11. April um 20 Uhr stellt Jutta Ditfurth ihr Buch Rudi Dutschke und Ulrike Meinhof. Geschichte einer politischen Freundschaft (konkret texte 72) im Hamburger Polittbüro, Steindamm 45, vor.

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