Kann Wissenschaft vor Fake News schützen?
Von Matthias Becker
Seit 2017 demonstrieren Forscher gegen die grassierende Wissenschaftsfeindlichkeit. Der »Marsch für die Wissenschaft« wurde provoziert durch den Amtsantritt Donald Trumps. Die Teilnehmer protestieren gegen den US-Präsidenten, der leugnet, dass der Klimawandel von Menschen verursacht wird, und ein besonders taktisches Verhältnis zur Wahrheit zeigt. Sie fordern als Maßnahme gegen die Fake News im Internet, denen auch Trump glaubt, eine »Politik, die auf Fakten aufbaut«, mehr Einfluss für wissenschaftliche Erkenntnisse und mehr öffentliche Gelder für die Forschung. Große deutsche Forschungsinstitute, die Hochschulrektorenkonferenz und sogar die Bundesbildungsministerin unterstützen die Initiative. Im Gegensatz zur amerikanischen leugnet die deutsche Regierung den Klimawandel nämlich nicht. Sie ignoriert ihn nur.
Wissenschaftlichkeit ist bitter nötig, keine Frage. Religiöser und esoterischer Irrationalismus gewinnt an Boden. Wenn die Hersteller von Fakten erklären, wie sie bei der Herstellung vorgehen, wäre das hilfreich; vielleicht fände dann der ein oder andere Spinner weniger Gehör. Dazu müssten die Wissenschaftler allerdings, wie es so unschön heißt, »alle Fakten auf den Tisch legen« – gerade auch die, die den Spinnern in die Hände spielen. »Freiheit der Wissenschaft«? Geforscht wird entlang kommerzieller und politischer Interessen. Ergebnisse, die nicht in den Kram passen, verschwinden in der Schublade. Das System der Leistungsbeurteilung ist widersinnig, das wissenschaftliche Verlags- und Konferenzwesen korrumpiert, die Arbeitsbedingungen sind elend.
»Rettet die Fakten!«, war eine auf der Demo häufig zu hörende Parole. Ehrlicher müsste es heißen: »Bitte lasst uns (gelegentlich) die Wahrheit sagen, ohne unsere befristete Stelle und Drittmittel aufs Spiel zu setzen.« Dann allerdings würden die prekäre Doktorandin und die Bildungsministerin nicht einträchtig »für die Wissenschaft« und gegen »Verschwörungstheorien « kämpfen. Eine aktuelle repräsentative Umfrage aus den USA hat ergeben, dass zwei Prozent der Bevölkerung die Erde für flach halten. Die Flat-Earth-Bewegung profitiert vor allem von den sozialen Netzwerken. Unter den 18- bis 24jährigen ist die Ansicht überdurchschnittlich häufig. Fünf Prozent geben an, bisher hätten sie die Erde für rund gehalten, in jüngster Zeit allerdings Zweifel bekommen. Wenn es nicht so lustig wäre, wäre es traurig. Oder umgekehrt, ich kann mich gerade nicht entscheiden.
Matthias Becker