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Literatur Konkret Nr. 19

1994/95

Der Einfluß der amerikanischen Kultur hat Westdeutschland vierzig Jahre lang davor bewahrt, im nationalistischen Sumpf zu versinken. Inzwischen klagt die deutsche Schriftstellerelite über Identitätsverlust und buhlt wieder um die Gunst des Vaterlandes. Weil er nichts zu sagen hat, konstruiert sich der deutsche Schriftsteller als Gewissen der Nation. Im Feuilleton, in der Talk-Show und demnächst im Bundestag ringt er mit den aufwühlenden Fragen, die er glaubt der Nation beantworten zu müssen. Statt für den Alexander- interessiert er sich für den Potsdamer Platz. Solange dies so bleibt - und es wird auf absehbare Zeit so bleiben -, gibt es keinen Grund, ihn im Zusammenhang mit Literatur zu verhandeln.  
 
Statt dessen haben wir uns in den USA umgetan und sind auf eine Literatur gestoßen, die sich nicht dem männlich-weiß-heterosexuellen Diskurs, dessen widerlichste Erscheinungsform die nationale Identität ist, unterwirft, sondern die darüber spricht, was es heißt, ausgegrenzt, rassifiziert, unsichtbar zu sein. In den Texten der Minderheiten geht es um den Widerstand gegen die politischen und sexuellen Normen des spätkapitalistischen Mainstream. Es geht darum, gegen die Hegemonie der Mittelschichtenkultur einen emanzipativen Diskurs zu behaupten, der mehr ist, als das Negativ der herrschenden Verhältnisse.  
 
Statt sich auf die Artikulationen der Deklassierten und Minorisierten einzulassen, reagieren Literatur und Feuilleton hierzulande verängstigt und verstört. In dem Wissen, daß sie jenen nichts als die Exegese der eigenen Wohlstandsneurosen entgegenzusetzen haben, suchen sie Zuflucht in der Affirmation ihrer kümmerlichen Existenz. Hedonistisch wollen sie sein und bringen doch nichts weiter zustande als die martialische Beschwörung bekannter deutscher Tugenden.  
 
So ergeht es der Literatur wie dem Fußball. Statt durch das hinzugewonnene Ostpotential auf Jahre unschlagbar zu sein, ist die deutsche Literatur kläglich gescheitert. Die besseren Sportarten kommen aus den USA und werden, wie etwa Basketball, von Minderheiten geprägt. Die bessere Literatur auch. Just read it.

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