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Literatur Konkret Nr. 3

Herbst 1978

Auf die großen Entwürfe (z.B. in Editorials) folgt die tägliche Kleinarbeit. Manches reduziert sich dabei auf Unscheinbarkeiten, vieles stößt vorzeitig an Grenzen, die in ihrer brutalen Banalität zumindest hinderlich sind.  
Da hält die Freiheit auf unserem Titelbild - auch wieder so eine Idee - demonstrativ das Muster eines Buches in ihrer Hand, das für mich die wichtigste Neuerscheinung dieses Herbstes ist: Den zweiten Band von Peter Weiss' epochaler »Ästhetik des Widerstands«. Doch im Heft fehlt die Besprechung.  
 
Bereits im Juni und danach beinahe wöchentlich haben wir den Suhrkamp Verlag um Druckfahnen gebeten. Vergebens. Man versicherte uns, es gäbe keine Fahnen, vergaß allerdings hinzuzufügen: für Literatur Konkret. Denn während wir auf ein Vorausexemplar warteten bis weit über den Redaktionsschluß hinaus, konnte z.B. der Spiegel-Rezensent angeblich nicht vorhandene Fahnen bereits lesen. Offensichtlich gilt im Hause Suhrkamp: Wer den Unseld nicht ehrt, ist der Fahnen nicht wert...
 
Ein anderer Verleger war zumindest offener. Er verbarg seine Abneigung erst gar nicht hinter Vertröstungen, sondern erklärte schlicht, nie wieder in einer Zeitschrift zu inserieren, die dieser Pawek macht.  
Nun können wir auf den einen oder anderen Inserenten durchaus verzichten, doch nicht auf Anzeigen überhaupt. Einige Leser rügten den Fragebogen in Heft II als konsumorientierte Scheiße. Sie haben - zum Teil - recht. Ihre Konsumgewohnheiten interessierten uns aus dem einzigen Grund, Anzeigenkunden zu gewinnen. Denn nur über Anzeigen, nicht über den Verkaufserlös von DM 2,60 pro Heft (den Rest erhalten die Händler) kann diese und jede andere nicht-subventionierte Zeitschrift finanziert werden.  
 
Im übrigen erwies sich der Konsum unserer Leser als nicht sonderlich beeindruckend: 46070 sind Nichtraucher, 60070 trinken am liebsten Tee. Neben Reisen und Schallplatten scheinen Sie sich fast nur für Bücher zu interessieren: 44070 von Ihnen besitzen mehr als 500 Exemplare, und im Durchschnitt kaufen Sie pro Jahr 40 Bücher hinzu.  
Ein Versuch, Ihre Konsumgewohnheiten zu beeinflussen, beginnt in dieser Ausgabe: Erstmals in der Geschichte der Publizistik liegt jedem der 75.000 Exemplare einer Zeitschrift eine Originalgrafik bei. HAP Grieshaber fertigte für Literatur Konkret einen Holzschnitt an 'Zum Ende der Buchdrucker-Kunst' (vgl. Litko II), nannte unser Vorhaben »eine historische Tat« und drängte zur Eile: »Einen solchen Abgesang sollten wir uns nicht entgehen lassen ehe es morgen schon zu spät dazu ist.« Die technische Realisierung erwies sich bereits heute als ungemein kompliziert, nachzulesen auf S. 35. 
 
Wichtig und folgenreich für die künftige redaktionelle Arbeit waren die Ergebnisse des ersten, interesseorientierten Teils des Fragebogens aus Heft II. Ihr Bildungsstand ist demnach beeindruckend. Sie besuch(t)en eine Hochschule (43%) oder haben Abitur (30%). Der geringe Anteil an Volksschülern (8,2%) ist erklärbar - wir wollen uns aber nicht damit abfinden -daß Sie allerdings fast alle männlichen Geschlechts sind (77,4%), ist verwunderlich. Immerhin sind 32% aller Autoren an diesem Heft Frauen.  
 
Zwischen 19 und 29 Jahre alt (68%), unverheiratet (73%), wählen Sie links: Umweltschutzparteien 33,2% (inzwischen mag da manche Euphorie verflogen sein), SPD 31,1%, DKP 14,9%. Sie lesen täglich die FR (37,5%), die Süddeutsche (12,9%) oder die UZ (9,8%; die Differenz Wähler-Leser = 5% sollte die Macher dieser 'Tageszeitung für die arbeitende Bevölkerung' nachdenklich stimmen).  
 
Sie kaufen Literatur Konkret, weil Sie Informationen über Bücher suchen (62%) und mehr über den Literaturbetrieb erfahren wollen (50%). Mit dem politischen Spektrum dieser Zeitschrift sind Sie zufrieden (77,6%), wünschen sich aber mehr Besprechungen politiktheoretischer Neuerscheinungen (34%). Die Beiträge finden Sie überwiegend verständlich geschrieben, sie erscheinen Ihnen eher zu leicht (12,2%) als zu schwierig (7,1%). Ihre Vorzugsautoren schließlich sind Böll (bei 1.856 Einsendungen über 200 Nennungen), Wallraff, Fried und Zahl (über 100), Engelmann, Walser, Andersch, Biermann, Enzensberger, Zwerenz, P. Schneider und Max Frisch (über 50).  
 
Zusammengefaßt: Sie sind ein intelligenter, sympathischer, engagierter Nonkonformist. Ich hoffe, Sie haben über uns, die Macher dieser Zeitschrift, keine schlechtere Meinung. 

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