Literatur Konkret Nr. 6
1981/82
Die Verhurung des Gewerbes
»Die Großverlage scheinen sich endgültig mit ihrer Rolle als Altpapierhändler abgefunden zu haben«, schrieben wir in LITERATUR KONKRET 5/1980. Sie scheinen nicht, sie haben. Was Verleger einmal bedeutete: Entscheidung für ein Werk und seinen Autor, Vertrauen und Treue zu beiden, Beharrlichkeit und Bereitschaft zum Risiko - das ist perdu. Was allein zählt, sind die umgesetzten Partien, ist der rasante Abverkauf. Nichts ist so alt wie das Buch der letzten Saison. Uralt das vorgestern »neue« Engagement für die Fürsorgezöglinge und andere Sozialfälle, steinalt der gestern »neue Realismus«, alt die heute »neue Frau«, angeschimmelt bereits die Neuigkeiten vom Herbst: Aussteiger, Patrioten, Huren.
Aussteiger: Einer unserer Autoren trifft in seinem Verlag auf zwei von Kopf bis Fuß durchgestylte Frauen und fragt den Lektor, wer das sei. Die Antwort: Ach, die haben hier ein Buch über Aussteiger gemacht.
Prostituierte: Die Binsenweisheit, daß Huren, befragt nach ihrem Gewerbe, nur lügen können, weil sie die Wahrheit nicht aushielten, wird verdrängt: Die Verleger der fröhlichen Nutten-Literatur müßten sonst auf sich selbst stoßen.
Patriotismus: Die Linken, sagt Günter Grass, dürfen das Nationale nicht den Rechten überlassen, weil die sonst Furchtbares draus machen. Darf man den Rechten die Bundeswehr, das BKA, den BND, Stammheim überlassen - oder müssen wir das auch alles selber machen?
Oder sollten wir linken Autoren und Verleger, statt solcher Torschlußpanik anheimzufallen, einfach bessere Bücher machen, Bücher, die das Papier, auf dem sie gedruckt werden, auch nach den nächsten 27 Moden der Literatur-Industrie noch wert sind?