Literatur Konkret Nr. 7
1982/83
Literatur des kleinsten Widerstands?
Es ist nicht das Jahr der Bestseller, es ist das Jahr der Pleiten. Die »Krise der Verlage« ist vom Feuilleton in die Bilanzen übergewechselt. Die Verleger sind ratlos. Wollten sie aus den Produkten, mit denen sie im letzten Jahrzehnt den Markt überschwemmt haben und die sich auf etwa eine Million Titel addieren, erfahren, warum ihnen dies nun geschieht und von wem, so würden sie viele vergebliche Griffe tun. Was sie da aufs Publikum losgelassen haben, ist nicht von einer Art, die geeignet wäre, ihnen die allgemeinen und besonderen Gründe der (absehbaren) Misere begreifbar zu machen.
Etwa diesen: Daß Buchfabrikanten, die sich nur noch an Umsatz-, Marketing- und Lagerhaltungsgesetzen von Süßwarenkonzernen orientieren, schließlich auch die Bonbon-Baisse mitmachen müssen. Und ihre Sparprogramme: »Raumtemperatur senken« und »der Letzte macht das Licht aus«.
Also immer mehr Mystizismus, Phantasy und Willy (»Hallo«) Breinholst, den fröhlichen Dänen, dessen 17. Buch zur heilen Welt der Kleinfamilie etwa 1987 sein 16. als Spitzenreiter der »Spiegel«-Hitparade ablösen wird; also noch mehr »Zielgruppen-Literatur« - jedem Kleingartenverein, jeder Lyrikwerkstatt, jeder Stadtteil-, Behinderten- und Stillgruppe ihr Buch; also noch mehr Psycho, Ethno und Spirito.
Was bleibt jenseits der Spekulation auf baisse? Verlegerisch der überraschend konsequente Entschluß des Siegfried Unseld, in seinem Suhrkamp Verlag überhaupt nichts Neues erscheinen zu lassen. Literarisch die Besinnung auf das wenige Große, das die siebziger Jahre hinterlassen haben.
Vor allem auf: Peter Weiss. Sein früher Tod verklärte die Nachrufe auf sein »Jahrhundertwerk«, doch Bewunderung für die Ehrlichkeit des Dichters ist ein schlechter Ersatz für das Lernen an seiner »Ästhetik des Widerstands«. Die drei Beiträge über Peter Weiss (von Klaus Herding, Hans Christoph Buch und Michael Ben) sind deshalb der Schwerpunkt von Literatur konkret 82.