26.03.2015 15:23
Regie: Edgar Hagen; Schweiz u. a. 2013 (W-Film); 100 Minuten; seit 19. März im Kino
Schacht Konrad hat seine Anwohner schon vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte getrieben. Kein Wunder: Der alte Stollen bei Salzgitter soll als Atommüllendlager dienen.
Strom aus Atom war immer schon eine Prüfung in Sachen ziviler Widerstand. Wenn in den vergangenen Jahren irgendwo Radioaktivität draufstand, war meist die Repression – selbst gegenüber Polizisten, wenn sie strahlende Transporte für lebensgefährlich halten – nicht weit. Atombetrieb fordert Tribut: Hunderttausende Tonnen Material müssten sicher gelagert werden. Und sicher heißt: für die nächsten 100.000 Jahre. Wo und wie, das lotet die Dokumentation »Auf der Suche nach dem sichersten Ort der Welt« aus.
Regisseur Edgar Hagen nimmt uns erst mal mit auf eine lustige Reise durch die Erdschichten. Welches Gestein ist wirklich sicher, wo gibt es definitiv keine Erdbeben? Ich seh euch schon schmunzeln, weil ihr die Antworten wisst: Keines und nirgendwo!
Hagen folgt dem Wissenschaftler Charles McCombie, der damit beauftragt ist, eine passende Endlagerstätte zu suchen, solange der Mars noch nicht in Frage kommt. Unterwegs spricht die Kamera mit Fachleuten wie Russell Jim von der Yakama Indian Nation. Auf dem Gelände, wo die früher lebte, befinden sich die Reste der Atombombenherstellung im Zweiten Weltkrieg.
Dass damals keine Rücksicht auf den aus Indianersicht sakralen Status des Geländes genommen wurde: geschenkt. Die Krebsrate ist dementsprechend. Man hätte trotzdem mal besser hinschauen sollen, sagt Jim: Der heilige Berg ist nicht nur für die native Einwohnerschaft eine geliebte Stätte, die als Ort der Seelen verstorbener Verwandter in Ehren gehalten wird und deren Betreten Todsünde ist. Der Berg ist auch aus Basalt und neigt zu Rissen. Seit neuestem sickert die strahlende Müllpampe in den Columbia River. Sage noch einer, Religion hätte nichts mit der Wirklichkeit am Hut!
In Hagens Film geben sich noch viele Gesundheitspolitiker, Umweltschützer und Menschenrechtsexperten zwischen Australien und Lüchow-Dannenberg die Brennstäbe in die Hand. Eine – leider nicht nur hochamüsante – intelligente Reflexion über eine Schlüsselindustrie der Zukunft. Jürgen Kiontke