29.06.2015 10:38
Atlantic
Regie: Jan-Willem van Ewijk; mit Fettah Lamara, Thekla Reuten; Niederlande/ Belgien u. a. 2014 (Neue Visionen); 94 Minuten; seit 25. Juni im Kino
Escobar – Paradise Lost
Regie: Andrea di Stefano; mit Benicio del Toro, Josh Hutcherson; Belgien/ Frankreich u. a. 2014 (Alamode); 120 Minuten; ab 9. Juli im Kino
Trägt Surfen zur Völkerverständigung bei? Die Suche nach der Superwelle verschlägt junge Leute aus dem Westen in ferne arme Länder. Das Verhältnis zwischen ihnen und den Einheimischen hat der niederländische Regisseur Jan-Willem van Ewijk, der selbst zum Surfen nach Marokko fuhr, gut beobachtet und nun in einem Spielfilm eingefangen: »Die westliche Kultur ist in jeden Winkel ihres Lebens vorgedrungen, doch konnten sie nie wirklich ein Teil davon sein. Sie sahen uns zu, wie wir kamen und gingen, aber für sie selbst waren die Grenzen geschlossen. « Kinder und junge Männer, trotz schlechtem Equipment oft die besseren Surfer, begleiten die perfekt ausgestatteten Touristen, bieten ihnen billige Unterkunft, feiern mit ihnen.
Dokumentarische Szenen zeigen diese Arrangements auf Zeit mit kritischem Blick auf die Touristen. Doch van Ewijk wollte mehr. Er hat in einem marokkanischen Surfmeister seinen ausdrucksstarken Hauptdarsteller gefunden und schickt ihn auf eine verzweifelte Reise gen Europa – per Surfbrett. Rückblenden erzählen, wie sich der arme Fischer Fettah heimlich in eine holländische Surferin verliebt und ihr folgen will. Diese Motivation und die betont poetischen, eindringlich aus dem Off geflüsterten Worte, die ihm van Ewijk in den Mund legt, überzeugen weniger. Zwischendurch will der Regisseur auch sich selbst im perfekt gefilmten Surfwerbespot artistisch auf dem Brett zeigen. Doch auf dem Filmtrip wird der Atlantik immer bedrohlicher, Fettah surft um sein Leben. Wir gehen unter in Bildern mit starker Sogwirkung.
Wir tauchen auf in Kolumbien. Die Hauptfigur aus »Escobar« kommt, um zu surfen, und bleibt, um zu töten. Hier nehmen wir die Perspektive eines kanadischen Naivlings ein, der sich in die Nichte des »Drogenbarons« Escobar verliebt und in dessen skrupellose Geschäfte verwickelt wird. Der italienische Schauspieler Andrea di Stefano versteht sein Regiedebüt als »philosophische Betrachtung« der historischen Figur (raumgreifend verkörpert von Benicio del Toro), die als Wohltäter auftrat und, ohne mit dem Schnauzer zu zucken, morden ließ. Der passable Thrill des konventionell erzählten Films entsteht aber eher dadurch, dass man den mysteriös bleibenden Escobar mit den Augen des kulturgeschockten Neuankömmlings sieht.
Die Völkerverständigung scheitert in beiden Filmen.
Marit Hofmann