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Babai - Mein Vater

05.01.2017 15:15

Regie: Visar Morina; mit Val Maloku, Astrit Kabashi; Kosovo/Deutschland/Mazedonien/Frankreich  2015 (Missing Films); 104 Minuten; seit 2. Dezember auf DVD

Nori (Val Maloku) ist ein Junge der Tat, nicht der großen Worte. Er rennt vor den Bus, mit dem sein Vater ihn und das Land verlassen will. Er reißt von zu Hause aus, klaut das Gewehr seines Onkels, prügelt verzweifelt auf den Betrüger ein, dem er es verkaufen wollte, und flieht übers Mittelmeer nach Westeuropa. All das, ohne ein Wort zu sagen. Der Zuschauer erfährt fast nur durch Mimik und konkrete Handlungen, was in dem 10jährigen vorgeht.

Die Geschichte beginnt in den 90er Jahren im Kosovo. Aus Geldnot wohnen mehrere Generationen unter einem Dach. Die Abhängigkeit vom autoritären Onkel lässt alle die Köpfe einziehen. Gewalt wird als Grenzsetzung gerechtfertigt. Eine erschütternde Realität und deren traurige Brutalität, an denen auch die Flucht nach Deutschland nichts ändert, durchziehen den ganzen Film.

Oft sprechen nur die Bilder. Musik benutzt Regisseur Visar Morina selten, und wenn, dann scharfkantig und fragmentarisch. Die Gespräche setzen sich größtenteils aus Fragen, die unbeantwortet bleiben, harten Befehlen und Beleidigungen oder Vorwürfen zusammen. Verzweiflung und Hilflosigkeit spiegeln sich in jeder Äußerung wider. Vater Gezims (Astrit Kabashi) unterdrückte Emotionen finden einzig in impulsiven Wutausbrüchen Ausdruck. Als mittelloser Mann sieht er sich mit der Aufgabe, seinem Sohn eine behütete Kindheit zu bieten, heillos überfordert.

Man merkt, dass Morina weiß, welche Geschichte er erzählen will. Er selbst ist mit 14 Jahren aus Pristina nach Deutschland emigriert. Das nun auf DVD erschienene teils autobiografische Drama, das Anfang 2016 mehrfach ausgezeichnet und für internationale Preise nominiert wurde, aber dessen deutscher Kinostart im März 2016 nicht viel Beachtung fand, bietet einen nüchternen Blick auf Flüchtlingsschicksale und steigt dadurch in heutige Debatten ein. Trotzdem will der Film kein plattes politisches Statement aus aktuellem Anlass sein, die Vater-Sohn-Beziehung bleibt im Mittelpunkt. Und einen weiteren Flüchtlings-Feelgood-Film - wie die beliebteste deutsche Kinoproduktion des Jahres 2016 „Willkommen bei den Hartmanns“ – braucht es wirklich nicht.

 

Maja Hohmann

 

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