18.02.2016 10:03
Regie: Florian Gallenberger; mit Daniel Brühl, Emma Watson; Deutschland/Frankreich u. a. 2015 (Majestic);110 Minuten; seit 18. Februar im Kino
Mit »Colonia Dignidad« setzt Regisseur Florian Gallenberger inhaltlich eine durchaus erstaunliche Marke. Die 1961 von deutschen Protestanten in Südchile gegründete Kolonie war während der Pinochet-Diktatur Haft- und Folterzentrum der chilenischen Geheimpolizei. Mitglieder dieses faschistischen Modellstaates bekannten, nach dem Pinochet-Putsch vom 11. September 1973 linke Aktivisten ermordet zu haben.
Die Ereignisse rund um diesen Tag bilden auch den Einstieg für die fiktive Handlung des Films: Fotograf Daniel und Stewardess Lena stehen im Zentrum des revolutionären Geschehens, als die Truppen losschlagen und die Oppositionellen ins Fußballstadion von Santiago de Chile verfrachten.
Gallenbergers Darsteller Daniel Brühl und Emma Watson arbeiten recht konzentriert daran, das Siebziger-Jahre-Flair auferstehen zu lassen. Anders gesagt: Die beiden sind in dieser Phase des Films großartig. Während Daniel ins Folterzentrum einfährt, versucht Lena alles Erdenkliche, ihn aus den Händen der Sekte zu befreien. Die einzige echte Option ist allerdings, sich selbst als Glaubensschwester dort einzuliefern.
Leider überstrapaziert Gallenberger seinen Film etwas: Das gesamte historische Geschehen verknappt er auf den Kampf zwischen Lena und Paul Schäfer, das diabolische Oberhaupt der Kolonie, gut gespielt von Michael Nyqvist. Außerdem: Tiefe Brunnen, verschlossene Tunnel, dunkle Löcher – bald wird es auch etwas zu viel genretypische Verfolgungsjagd, die so nie hätte stattfinden können. Politische Gefangene aus Deutschland hat’s dort nie gegeben. Da ist die arme Watson doch wieder im Märchenuniversum.
Ein Gutes hat das allerdings: Ganz nebenbei und schön im Kontrast zum auserzählten Lagergeschehen wird die zwielichtige Rolle des deutschen Botschafters in Chile zerpflückt, der zuweilen die Hand schützend über die Kolonie gehalten hat.
Vielleicht wirkt der Film auch in der Wirklichkeit: Nach wie vor lebt in Krefeld der ehemalige Lagerarzt Hartmut Hopp, ein rechtsgültiges chilenisches Hafturteil liegt vor. Auch die deutschen Behörden ermitteln, bis dato aber ohne Ergebnis: Die Ermittler sprechen kein Spanisch, heißt es, es könne noch lange dauern, bis Dokumente und Zeugenaussagen übersetzt seien.
Jürgen Kiontke