02.09.2016 12:01
Regie: Kirsi Marie Liimatainen; mit Kirsi Marie Liimatainen; Deutschland 2016 (W-Film); 90 Minuten; seit 18. August im Kino
Das Dokument einer Forschungsreise. Was wurde aus den jungen Genossen der sozialistischen Welt vom Sommer 1989? Bolivien, Chile, Nicaragua, Südafrika, Libanon? Damals noch zusammen, 20jährig, in der Jugendhochschule Wilhelm Pieck am Bogensee bei Berlin, Hauptstadt der DDR, einig im »Paradies« von Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Alle begeistert vom Sieg des Sozialismus – dem bevorstehenden und in der DDR schon geschafften? 20 Jahre später macht sich die Finnin Kirsi Marie Liimatainen, damals Studentin der Lehren von Marx und Lenin, heute Konrad-Wolf-Absolventin, rund um die Welt auf die Suche nach ihren zukunftstrunkenen Genossen aus dem Wilhelm-Pieck-Studienjahr. Was macht ihr heute?
Am Anfang sehen wir Fotos und Filme zu Liimatainens Sozialisation in Finnland, dann zu ihrem Jahr in Berlin. Es folgt ein krasser Ortswechsel. Eine Busfahrt in den Bergen von Bolivien. Findet sie ihre Genossen wieder? Was erlebt sie auf der Route? Alte winken ab: »Es gibt keine Linken mehr in diesem Land.« Junge schwärmen von Stalin. 40jährige kriegen sich in die Haare über Trotzki. Die Regisseurin steht vor einem Grab.
Der Ablauf dieses Films ist nicht vorauszusehen. Das macht ihn spannend. Er lädt zur Teilnahme ein. Zur gemeinsamen Wahrnehmung, was passiert. »Genosse, was machst du heute?« Antworten hören, aber nicht bewerten. Der Film fordert eine kreative Rezeption. Glückwunsch, dass das mir überlassen bleibt! Und ich hätte eine Menge zu sagen. Aber das wäre mein Ding. Das Großartige an diesem Film ist, dass er mich nicht vereinnahmt, aber voll anregt. Abgefüllt mit, sagen wir: Adrenalin oder so. Ej, tun müssten wir was und bittschön nicht bloß agitieren, wie uns im Film Hilflose rund um den Globus das vormachen. Wo steckt er, der Sozialismus? Frage ich. Dietrich Kuhlbrodt