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Das Tagebuch der Anne Frank

26.02.2016 11:55

Regie: Hans Steinbichler; mit Lea van Acken, Ulrich Noethen; Deutschland 2016 (Universal); 128 Minuten; ab 3. März im Kino

Geht doch! Der erste deutsche Kinofilm, der sich mit dem tagebuchschreibenden Mädchen Anne Frank beschäftigt, 1942 mit ihrer Familie im Versteck in Amsterdam. Vor der Tür suchen Nazis und Kollaborateure nach Juden zum Abtransport nach Auschwitz. Gedreht ist der Film, ohne Mitwirkung quotengeiler deutscher Fernsehanstalten, von Hans Steinbichler, Mitte 40. Er vollbrachte das Wunder – Scheiße, dass es dafür ein Wunder brauchte –, den mehr als 70 Jahre alten Tagebuchtext der 13jährigen gegenwartsnah und jugendaffin in Bilder umzusetzen. Flüchtlinge, Stigmatisierung und so fort – Leute, das ist hochaktuell! Und die Wirkung stellt sich ohne jede Volkspädagogik ein. Klar, es ist die unglaubliche Präsenz und Authentizität der jungen Schauspielerin Lea van Acken, die den Film ins Heute bringt. Zum Schluss werden ihr bei der Aufnahmeprozedur im KZ die Haare geschoren. Sie kommentiert das nicht, sie zeigt keine Mimik, sie bleibt in Ordnung. Das ist jetzt die Ordnung: die deutsche KZ-Ordnung.

Um meine Eloge abzuschließen, noch ein ordentliches Lob für den Schnitt. Ganz im Gegensatz zum TV-Verfahren, Hektik durch Actionschnitt (die fusseligen Drei-Sekunden-Einstellungen) vorzutäuschen, bekommen die Einstellungen im Anne-Frank-Film die Zeit, die es braucht, um Empathie und Nachdenklichkeit zu entwickeln.

Aber jetzt höchste Zeit, zu einem Schwachpunkt zu kommen. Das ist der Einsatz von Musik (Sebastian Pille). Vom Easy Listening bis zur Klavierbegleitung beim ersten sexy Kuscheln im Bett legen sich die dezenten Töne wie ein Vorhang vor die Szenen, die, statt unter die Haut zu gehen, zur Illustration degradiert werden – naja, degradiert zu werden drohen. Aber ich bleibe dabei: Insgesamt produziert der Film ohne Extradialog Nähe zum jungen Publikum und zu den Flüchtlingen, Vertriebenen, Ausgegrenzten, Stigmatisierten und Diskriminierten von heute.

Dietrich Kuhlbrodt

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