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Der Staat gegen Fritz Bauer

18.09.2015 14:56

Regie: Lars Kraume; mit Burghart Klaußner, Ronald Zehrfeld; Deutschland 2015 (Alamode); 105 Minuten; ab 1. Oktober im Kino

Fritz Bauer, der hessische Generalstaatsanwalt der fünfziger Jahre (Auschwitz-Prozess!), wird mainstreamtauglich. Regisseur Lars Kraume („KDD – Kriminaldauerdienst“, ZDF, und „Tatort“, ARD) bringt uns Bauer als eine Art TV-Kommissar näher, der auch seine – au, Mann! – sperrigen Seiten hat, aber vor allem grundsympathisch ist.

Burghart Klaußner vermittelt in seinen vielen, vielen Dialogsätzen Bauers Überzeugung, als einzelner gegen die in der Adenauer-Republik allseitige Restitution kämpfen zu müssen, das heißt: gegen die Nazis, die allüberall nach 1945 ihre alten Positionen besetzt hatten. Bauer also gegen König, den Bonner Staat. Soweit, so gut.

Aber nun kommt Butter bei die Fische. Die BRD soll einen Musterprozess bekommen. Gegen Adolf Eichmann? Ermitteln wir. Sehen wir im Film. Aber wo bleibt das Persönliche? So richtig zum Große-Augen-Machen? „Bauer war schwul“, ist doch ein Aufmerker, oder nicht? Der Film wird jetzt lebhaft. Er hat sein Thema gefunden. Die Kamera bricht aus dem Kammerspiel aus. Sie macht Großaufnahmen. Von Socken. Bauers Socken sind schwarz. Die vom jungen Staatsanwalt sind kariert. Ein paar Einstellungen weiter: Bauers Socken sind auch kariert. Aha! Die beiden gucken sich in die Augen. Sie verstehen sich. Verstehen wir. Falls nicht: Bauer kriegt noch einen erklärenden Dialogsatz.

Eigentlich war‘s der Sache nach ja darum gegangen, dass Bauer von den jungen Staatsanwälten hoffte, dass sie gegen die Nazi-Väter aufbegehren und sich für so was wie den Auschwitz-Prozess engagieren. Die Studentenbewegung der Sechziger kriegte das auch hin. Der Film sagt es anfangs, aber dann hat er anderes im Sinn. Schon wieder sitzen wir im Transvestitenclub. Der Jungstaatsanwalt (Ronald Zehrfeld) arbeitet dort hart und körperlich an seinem Coming-out.

Für eine Geschichtsstunde ist dieser Film ungeeignet. Der Jungstaatsanwalt ist eine fiktive Figur. Bauers Credo war nicht die Homosexualität. Und überhaupt: Sollen wir glauben, dass Bauer den Auschwitz-Prozess aus Verärgerung gegenüber dem Mossad begonnen hat, weil der ihm nicht den Wunschkandidaten Nr. 1 ausgeliefert hat, den Eichmann?

Zurück zum Anfang. Wem das alles egal ist, Geschichtsstunde hin, Geschichtsstunde her, der wird den Film toll finden, supergut gespielt, voll glaubwürdig, so richtig zu Herzen gehend. Klaussner/Bauer ist unser Mann! Oder?

Dietrich Kuhlbrodt

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