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Deutschland. Dein Selbstporträt

14.07.2016 16:47

Regie: Sönke Wortmann; mit Deutschen; Deutschland 2016; 100 Minuten (Warner); ab 14. Juli im Kino

Die Deutschen schauen gern in den Spiegel. Jetzt haben sie einen ganzen Film aus dieser Macke gemacht, ein Gesamtselfie aller, die da mitmachen wollten. Auf einer Homepage konnte man Videos hochladen, in denen man zu sich und sonst so Stellung beziehen konnte. Deutschland-Muckel Sönke Wortmann schnitt daraus eine Art Best-of Germany, zunächst ein bisschen à la lustige Unfallvideos auf RTL 2.

»Das ist meine Wohnung, penibel eingerichtet, ein bisschen unaufgeräumt, wie mein Seelenzustand«, kommentiert eine lädierte Frauenstimme ein Video. »So ist es, wenn man von Freunden und Ehemann verlassen wurde. Dunkel, dunkel, dunkel.« Ey, super Film.

Leider bleibt’s nicht so lustig. Es ist der 20. Juni 2015, »Deutschland« ist aufgerufen, diesen Tag bei sich zu Hause zu filmen und einzuschicken. Es gibt Leute, die machen bei so was mit. Am frühen Morgen ist die Stimmung am besten. Es treten auf: deutsche Mutter, deutsche Ente, deutscher Autofahrer. Und der deutsche Hippie moniert, wir hätten viel zu viele Gesetze, zum Beispiel sei das Wasserklosett vorgeschrieben.

Was den Deutschen außer sanitären Einrichtungen wichtig ist: Liebe, Freunde, Kuscheln, Behinderte, dritter Weltkrieg, Sex, Auto und das Wetter. Und Musik: Die ist so penetrant nationalpathetisch, dieses Selbstporträt hätte es auch zu längst vergangenen Zeiten schon getan.

Aus ungewöhnlichen Ecken des Landes stammen viele Filme: aus dem Trachtenclub, von Vegetariern, aus dem Knast in Kassel, wo der Justizvollzugsbeamte sagt: »Ich liebe meine Arbeit, die festen Strukturen.«

Auch olle Asylbewerber findet Deutschland gut, blöd ist das mit der Duldung seit 23 Jahren. »Die, die jetzt kommen, sind gleich anerkannt«, schimpft der junge Libanese. Ach, schau mal: Der Ausländer schimpft über Ausländer.

Irgendwann geht’s dann mit den Kindern los, den blonden. »Was ist für dich Deutschland?« – »Brabbelbrabbel«, es antwortet die Dreijährige. Darf man so was überhaupt, die Gören so für politische Zwecke verwursten?

»Deutschland ist …«, brüllt der Film ab jetzt bis zum Abspann. 40 Minuten sind’s noch. »So toll, so super, so Deutschland!«, schallt’s aus dem Wald. Da haben dann alle schon Schwarz-Rot-Gold an, und ein bisschen ist es wie am Ende von »Er ist wieder da«.

Ein Film wie eine Nationalhymne. Alle Strophen.

Jürgen Kiontke

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