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Die Kleinen und die Bösen

03.09.2015 15:45

Regie: Markus Sehr; mit Christoph Maria Herbst, Peter Kurth; Deutschland 2015 (Movienet); 91 Minuten; ab 3. September im Kino

Raus, raus, nur noch raus hier. Wer diesen nicht realisierbaren Entschluss einmal gefasst hat, hat zumindest eines verstanden: Die Gesellschaft taugt nichts, und die Glücksversprechen des Bürgertums sind bloße Durchhalteparolen. Die große, romantische Liebe entpuppt sich meist als opportunistische Zweckgemeinschaft, die Karriere bringt allenfalls den Herzinfarkt.

Vor allem weil er Letzteres intuitiv erspürt hat, ist Hotte Mazocha Kleingauner geworden. Ohne Moral, ohne Mitleid. Mit irgendeiner Schlampe hat er vor Jahren zwei Kinder in die Welt gesetzt. Die interessieren ihn erst, als er das Sorgerecht erhält – und somit Geld sowie eine warme, trockene Unterkunft in deren Wohnung. Sein Bewährungshelfer Benno hat zwar alles, was das Bürgerherz begehrt, feste Stelle, feste Freundin und fahrbaren Untersatz, ist aber unzufrieden. Der Job nervt. Ebenso die Freundin. Die will unbedingt ein Kind – dabei sind Bennos Spermien dafür eher ungeeignet.

Mit diesem Duo haben die Autoren Xaõ Seffcheque und Martin Ritzenhoff ein klassisches Losergespann geschaffen, noch dazu eines, dass sich nicht ausstehen kann. Der Unterschied zum klassischen Buddymovie, bei dem die Antihelden eher knuffig als eklig sind, liegt in der Figur des Hotte. Peter Kurth darf seine Figur in Markus Sehrs Komödie brutal und widerlich anlegen. Christoph Maria Herbst dagegen spielt mal wieder den Kleinbürger. Während Hotte quasi a priori aus der Gesellschaft rausfällt, erwacht in Herbsts Benno erst ein kleiner kritischer Geist, als er mit der Quintessenz des bürgerlichen Narzissmus konfrontiert wird: der Reproduktion mitsamt all ihrer Zwänge, Auflagen und Machtmechanismen, die aus einem libidinösen Wesen einen Zombie mit wahlweise Fruchtwasser oder Sperma im Gehirn werden lässt. Mit dem Satz „Du willst doch nur ein Kind, das du selber ausgebrütet hast“, den Benno seiner Freundin entgegenschleudert, erreicht der Film seinen intellektuellen Höhepunkt. Das eigene muss es sein – beim Haus ebenso wie beim Kind. Auch wenn die Libido längst verrottet ist.

Freilich verströmt der Film nicht in jeder Minute diesen aufmüpfigen Geist. Manchmal ist es einfach eine gewöhnliche Komödie. Dennoch unterscheidet sie sich von der immergleichen Konkurrenz. Zwischen der üblichen Situationskomik und ulkigen Dialogen lauern immer wieder Momente, die irritieren: eine anspielungsreiche Überblendung, ein Charakterzug, den man nicht kommen sah, eine Wendung, die das ganze Komödienkonzept in Frage stellt.

Katrin Hildebrand


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