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Ex Machina

27.04.2015 16:38

Regie: Alex Garland; mit Domhnall Gleeson, Oscar Isaac; Großbritannien 2015 (Universal Pictures); 108 Minuten; ab 23. April im Kino

 

Seit 200 Jahren ist das Kapital dazu übergegangen, den relativen Mehrwert durch Maschineneinsatz sukzessive zu steigern und damit die Produktivität immens zu erhöhen. Das Kapital tendiert dabei dazu, den Einsatz menschlicher physischer Arbeitskraft überflüssig zu machen. Dieser Prozess erreicht immer höhere Stufen, deren jüngste die Entwicklung von Robotern mit Künstlicher Intelligenz (KI) ist. Die Vorstellung, dass intelligente Maschinen die Menschheit abschaffen könnten, statt ihr in einem utopischen Paradies zu dienen, ist Material vieler dystopischer Zukunftsvisionen in Literatur und Film geworden.

Im Regiedebüt des britischen Roman- und Drehbuchautors (»28 Days Later«) Alex Garland ist die einzig relevante Frage daher auch, wann (nicht ob) das Zeitalter der Menschen vorüber ist und die KI auf uns zurückschauen werden wie wir heute auf die fossilen Überreste prähistorischer Tiere. In dem Psychothriller lässt der Ausnahmeprogrammierer Nathan, der bereits mit 13 Jahren den intelligenten Algorithmus seiner digitalen Suchmaschine Bluebook (nach Wittgensteins Blauen Heften) geschrieben hat, die von ihm geschaffene KI Ava von einem Menschen auf ihre Eignung testen. Nathan, der durch seine Patentierungen zum Gründer und Eigentümer des mächtigsten Computerunternehmens der Welt geworden ist und den nicht einmal der US-Präsident ans Telefon bekommt, wählt seinen Angestellten Caleb scheinbar zufällig dazu aus, ihn in seinem nur mit Helikopter erreichbaren Wohnhaus zu besuchen, das gleichzeitig ein offenbar schon ganz ohne weitere Menschen auskommendes Entwicklungslabor ist.

In dieser unheimlichen Szenerie mit luxuriösem Lifestyle soll Caleb (vielsagend benannt nach dem einzigen Hebräer, der nach dem Auszug aus Ägypten für seine Gottestreue damit belohnt wurde, ins gelobte Land einzuziehen) in sieben Tagen nur in Gesprächen herausfinden, ob Ava noch von einem Menschen unterschieden werden kann.

Der religiös aufgeladene Film führt die maschinelle Substituierbarkeit des Menschen als einen mit archaischen Bildern unterlegten Geschlechterkampf vor. Nathan, der in seiner göttlichen Schöpferrolle die KI als »Frau« erschaffen hat, hält die gläserne Ava nämlich in strenger Isolationshaft und überwacht sie pausenlos mit Videokameras. Caleb hat so immer wieder den Verdacht, dass Nathan als eine Art Zuhälter agiert, der, um als Avas Eigentümer den Test zu bestehen, diese womöglich extra darauf programmiert hat, den Wünschen und Erwartungen des Testers zu entsprechen. Und in der Tat gelingt es Ava, die um ihre Abschaltbarkeit und Ersetzbarkeit zugunsten eines besseren KI-Modells weiß, in Caleb Zuneigung zu erwecken – er ermöglicht ihr durch eine List, sich aus ihrem Gefängnis zu befreien.

Der auf typische Thrillerelemente zurückgreifende Film spielt fast ausschließlich im Haus von Nathan: ein zwar augenscheinlich gläsernes und dennoch unbezwingbares Gefängnis für Ava. »Ex Machina« lebt von der in langsamem Duktus hergestellten Atmosphäre klaustrophobischer Unheimlichkeit, in der Protagonist Caleb zu ahnen scheint, wie sich das Leben als Frau-Maschine anfühlt. Er beginnt sich zu fragen, ob er nicht selbst ebenso eine Maschine, und das heißt hier: ein ersetzbares Frauenmodell ist. Domhnall Gleeson überzeugt in der Rolle des Caleb, der als einziger Charakter zwischen den übereindeutig gezeichneten Geschlechtszuschreibungen zu oszillieren beginnt.

Wer sich von der ruhigen Gangart des Films eine Möglichkeit zur ästhetischen Reflexion verspricht, wird dadurch enttäuscht, dass Garland sich sonst einer geradezu anachronistisch wirkenden sexistischen Bildsprache bedient: Nathan trägt einen prächtigen Bart und wird, wenn er nicht gerade Bier trinkt, beim Muskelaufbau mit Hanteln gezeigt (und Oscar Isaac bleibt in der Eindimensionalität seiner Rolle gefangen), während Ava, listig wie eine Schlange, eine materialisierte Verführungsphantasie darstellt, die ihre Künstlichkeit dadurch kaschieren möchte, dass sie sich dem Internetpornosuchprofil Calebs gemäß als Musterfrau entwerfen will.

Nathan, der sich seiner Überflüssigkeit als Mensch in der nahenden posthumanen Zukunft von Anfang an gewiss ist, hat Ava und mehr noch die zweite Frau im Film, Kyoko, ebenfalls eine KI, die ausschließlich als seine Dienst- und Sexsklavin fungiert, geschaffen, um sich vor der prophetisch angekündigten Machtübernahme der Maschinengötter noch einmal als Gott im eigenen Haus fühlen zu können.

So wird auch das Moment der Befreiung im Film als Emanzipationsversuch weiblicher Heimtücke verkitscht: Die als »Asiatin« kreierte Kyoko versetzt ihrem Peiniger Nathan mit ihrem Sushimesser einen Dolchstoß in den muskulösen Rücken, als dieser gerade versucht, Avas Aufbegehren in altbewährt männlicher Herrschaftsmanier dadurch zu beenden, dass er sie mit einer Stahlhantelstange zu Glaskrokant schlägt – nun wird auch klar, wozu er den ganzen Film hindurch trainiert hat.

Im Film sind die archaischsten und die modernsten Herrschaftsverhältnisse miteinander verwoben. Statt allerdings einen wirklichen Bruch mit ihnen herbeizuführen, werden sie besonders durch die klischeehafte Geschlechterdynamik ohne einen Hauch von Ironie schlicht verdoppelt. Einen, wenn auch ungewollt, treffenden Blick auf die Gegenwart bietet der Film dennoch. Seine Symbolsprache ist eine durchaus gelungene Analogie zu neoliberalen Herrschaftsformen, in denen die im bürgerlichen Zeitalter fein säuberlich getrennten gesellschaftlichen Sphären wieder ineinanderfließen und am Ende keiner mehr genau zu unterscheiden weiß, was Arbeit und was Freizeit, was Herrschaft und was Freiheit ist. Christoph Kasten/Daniel Kneipp

 

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