27.09.2016 11:01
Regie: François Ozon; mit Paula Beer, Pierre Niney; Frankreich/Deutschland 2016 (X-Verleih); ab 29. September im Kino
François Ozon traut Journalisten nicht. In der Pressemeldung zum Film bittet er darum, in den Besprechungen Adriens Geheimnis nicht zu verraten. Zu Recht, denn würde man es lüften, würde das ohnehin nicht sehr tief schürfende Drama „Frantz“ jeden Reiz verlieren. Die deutsch-französische Produktion ist – passend zur „Krise der EU“ – ein Bekenntnis zur Aussöhnung ehemals verfeindeter Nationen.
In dem 1919 im beschaulichen Quedlinburg angesiedelten Kammerspiel scheint die Zeit still zu stehen. Tag für Tag sucht Anna das Grab ihres „gefallenen“ Verlobten Frantz auf, bis sie auf einen melancholischen Franzosen trifft, der dort ebenfalls Blumen niederlegt.
Auf beiden Seiten des Rheins dominiert der Hass auf den (Erb-)Feind und der Nationalismus. Um dies zu symbolisieren, greift Ozon auf gängige Bilder zurück: Im sächsischen Wirtshaus singen die Herren mit erhobenem Bierkelch die „Wacht am Rhein“, im Pariser Bistro stimmen die Wein trinkenden Franzosen beim Hereinpoltern deutscher Soldaten zornig die Marseillaise an – der Gänsehauteffekt, den dieser symbolische Akt des Widerstands einst in „Casablanca“ auslöste, bleibt allerdings aus. Dies auch, weil es Ozon im Bemühen um Versöhnung vermeidet, Partei zu ergreifen und etwa Kriegsschuldfragen zu thematisieren.
Die in Quedlinburg, Wernigerode und Görlitz gedrehten Szenen wirken weit weniger gekonnt als diejenigen aus der französischen Pampa (Limousin). Wenn die alten Herren auf ihre „gefallenen“ Söhne anstoßen, erinnert dies mehr an eine schlechte ZDF-Fernsehproduktion als an echtes Kino. Johann von Bülow als Annas tölpelhafter Verehrer, ein strammer Deutscher, bestärkt diesen Eindruck auf peinliche Weise.
Und doch beeindruckt „Frantz“ mitunter durch seine pittoresken Schwarzweiß-Einstellungen, die zumindest entfernt an die Vorlage, Ernst-Lubitschs’ „Broken Lullaby“, erinnern, in ihrer verspielten Ästhetik jedoch mehr noch an die Filme von Jean-Pierre Jeunet. Da der Regisseur kein Deutscher ist und wahrlich kein schlechter Filmemacher, verzeiht man ihm auch dieses Abdriften ins Magisch-Surreale. Paula Beer in der Rolle der schönen Kriegswitwe Anna überzeugt durch ihr Mienenspiel und hat die Auszeichnung als beste Nachwuchsschauspielerin bei den Filmfestspielen in Venedig verdient.
Und zumindest gibt es kein kitschiges Happy End. Wenngleich sich die moralische Botschaft von Schuld und Vergebung nervig durch den Film zieht und man meint, viel von dem, was „Frantz“ aufgegreift, irgendwo schon mal gesehen zu haben, vermag Ozon noch immer zu überraschen.
Anina Valle Thiele