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Gelobt sei Gott

24.10.2019 10:15

Regie: François Ozon; mit Melvil Poupaud, Denis Ménochet; Frankreich/ Belgien 2019 (Pandora); 137 Minuten; seit 26. September im Kino 

»Ich versuche, mich nicht zu wiederholen«, hat François Ozon einmal gesagt. Bisher ist das dem französischen Regisseur gelungen: Nicht nur ist seine umfangreiche Filmografie ein abwechslungsreicher Trip durch Genres und Stile, trotz seiner »Ein Film pro Jahr«-Politik hat er zudem fast immer zu überzeugen vermocht.

Selbst aus dieser gestalterischen Vielfalt sticht sein neuer Film deutlich hervor. Es ist eine Verarbeitung der Kindesmissbrauchsvorwürfe gegen den französischen Priester Preynat aus Lyon, den der örtliche Kardinal Barbarin bis zuletzt gedeckt hat; Barbarin musste sich in diesem Jahr vor Gericht verantworten und wurde im März zu sieben Monaten auf Bewährung verurteilt. Im Juli verstieß ihn dann gar der Vatikan. Nicht nur die extreme Aktualität des Stoffs, auch die Abwesenheit der für Ozon typischen Verspieltheit setzt dieses neue Werk deutlich von den üblichen Genrestoffen ab.

Mit fast zweieinhalb Stunden ist »Gelobt sei Gott« zudem Ozons bislang längster Film – ein erster Hinweis darauf, dass der Regisseur versucht, die systematische Vertuschung sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche und das Leiden der Opfer vielschichtig und aufrichtig nachzuzeichnen. Er entwirft zu diesem Zweck eine etwas altmodisch anmutende Dreierstruktur: Der Film folgt nacheinander drei (fiktiven) Männern in ihren Vierzigern, die dem Trauma des als Kind erlebten Missbrauchs in unterschiedlicher Weise begegnen. Die drei treffen sich schließlich, kontaktieren weitere Opfer des Priesters und gründen gemeinsam die real existierende Organisation Parole Libérée, die inzwischen über 80 Betroffene vertritt.

Der methodische, ernste Film will seinem realen Hintergrund stets gerecht werden. Trotz all seiner Regieerfahrung ist Ozon bei diesem ihm offensichtlich sehr wichtigen Thema allerdings die inszenatorische Leichtigkeit abhanden gekommen: Er verlässt sich zu sehr auf ausufernde Dialoge und im Voice-Over verlesene Briefwechsel und gibt seinem Film so einen dozierenden Charakter. Die Erzählung wirkt, vor allem im Vergleich zum brillanten US-Gegenstück »Spotlight« (2015), oft schwerfällig. Die exzellenten Leistungen seiner drei Hauptdarsteller retten den Film vorm Abdriften ins bloß gut Gemeinte.

Tim Lindemann


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