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Hail Caesar!

17.02.2016 14:15

Regie: Joel und Ethan Coen; mit Josh Brolin, George Clooney, Alden Ehrenreich; USA/Großbritannien 2016 (Universal Pictures Germany); 106 Minuten; seit 18. Februar im Kino

 

Vor allem der Tonfilm bilde „eine Tendenz zur Zentralisierung aus, die die Freiheit der Wahl einschränkt …; der unwiderstehliche Propagandaapparat hämmert den Massen solange die Schlager ein, die er gut findet und die meist die schlechten sind, bis ihr müdes Gedächtnis wehrlos ihnen ausgeliefert ist.“ So schrieb es einst Adorno, und noch heute befeuert der Kern dieser These unter Linken in Bezug auf Hollywood vorrangig ablehnende Haltungen. Die kalifornische Filmindustrie als willfährigen und, wie oft beiläufig insinuiert, jüdisch dominierten Erfüllungsgehilfen des Kapitalismus zu betrachten, ist einfach und erspart es dem bequemen Kritiker zudem, sich mit den Filmen inhaltlich und formell auseinanderzusetzen. Das Gedächtnis ist nun mal müde. Man müsste gar nicht mehr darüber reden, aber dann kommen die Coen Brüder, Meister des profanen Wunders, und machen einen Film über die wunderbare Profanität Hollywoods.

„Hail, Caesar!“ wurde schon im Voraus zu Recht als luftiges Gegenstück zum düsteren Coen-Klassiker „Barton Fink“ charakterisiert: Hier wie dort erweckt das Brüderpaar detailverliebt eine vergangene Epoche der vermeintlichen Traumfabrik zu neuem Leben. Wo es in „Barton Fink“ vor allem um ominöse „Wrestlingfilme“ ging, vergreifen sich die Coens nun mit sichtlicher Freude am kompletten Kanon des Hollywoods der fünfziger Jahre: Channing Tatum steppt sich durch eine spektakuläre Musicalnummer à la Gene Kelly; Scarlett Johansson stürzt sich in ein kitschiges Wasserballett; Newcomer Alden Ehrenreich spielt einen jungen Westernstar, der vom „singenden Cowboy“ zum ernsthaften Darsteller werden soll. Dann ist da noch Baird Whitlock (George Clooney), ein nicht allzu cleverer „Leading Man“, der eines Tages vom Set des Bibelschinkens „Hail, Caesar!“ entführt wird – von Kommunisten!

Die unfotogene Entführergruppe, die sich bedeutungsschwanger The Future nennt, ist, wie sich nach und nach herausstellt, eine Clique frustrierter jüdischer Drehbuchautoren, die sich mit dem Lösegeld für Whitlock endlich auch ihr Stück vom Kuchen holen wollen. Bisher haben sie nur systematisch unterschwellige Botschaften in Filmskripte eingebaut; nun haben sie sich vom kauzigen Dr. Marcuse (!) zur direkten Aktion der Entführung überzeugen lassen. Marcuse, der in verschachtelten Darlegungen die Komplizenschaft Hollywoods mit der kapitalistischen Ausbeutung des „kleinen Mannes“ beweist, findet in dem unbedarften Filmstar einen begeisterten Zuhörer: Schon bald sieht sich Whitlock eher als Komplize denn als Opfer und ist hellauf begeistert von den pfiffigen, wenn auch harmlosen Zeitgenossen. Die „jüdische Verschwörung“ sieht bei den Coens also alles andere als bedrohlich aus.

Bedrohung kommt aus einer ganz anderen Ecke: Den Protagonisten Eddie Mannix (Josh Brolin), der als „Trouble Shooter“ des Filmstudios alle Stränge der Geschichte miteinander verknüpft, umgarnt ein unheimlicher Geschäftsmann. Dieser vertritt die Firma Lockheed und erzählt Mannix mit diabolischem Stolz von den erfolgreichen H-Bombentests, die seine Firma bereits durchgeführt hat. Nun soll der Filmmanager in das Unternehmen einsteigen, wo politische Realitäten und keine Traumwelten geschaffen werden. Die Botschaft der Coens darf man gerne schrecklich banal finden, wahr ist sie trotzdem: besser Filme produzieren als Bomben.

Dennoch ist ″Hail, Caesar!″ nicht bloß eine stumpfe Liebeserklärung an das ″make believe″ des Kinos. Der Film bestreitet nicht, dass seine Hauptfigur sich redlich darum bemüht, alles potentiell Subversive aus den Produktionen seines Studios zu eliminieren – es gelingt nur nicht immer. Die staubtrockene Schlussszene deckt ohne viel Aufhebens das geschäftsmäßige Heraufbeschwören des Hollywood-Pathos auf – Wirkung zeigt er dennoch. Das Kino als reine Betäubungsmaschine zu sehen, kommt bei Joel und Ethan Coen einfach nicht in Frage. Dazu vereinen ihre Filme, manche sicher noch mehr als dieser hier, zu viele produktive Widersprüche und unergründliche Geheimnisse in sich.  

 

Tim Lindemann

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