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I Am Mother

22.08.2019 16:00

Regie: Grant Sputore; mit Hilary Swank, Rose Byrne; Australien 2019 (Concorde); 114 Minuten; seit 22. August im Kino

Die Kulturindustrie kann sich eine Überlebensperspektive der Menschheit offenbar nur noch in überdrehter Barbarei (siehe »Mad Max«) oder in Form von transhumaner künstlicher Intelligenz vorstellen. Nun kommt eine neue Variante in die Kinos, in der sich der Warenfetisch, das vom Menschen gemachte Elektrogerät, personalisiert in einem fast zärtlichen »Mutterroboter«, der Zucht einer besseren Menschheit annimmt. Die spätkapitalistische Phantasie treibt irre Blüten.

Mit moralischen Rätselfragen wie »Was, wenn ich einen Menschen sterben lassen muss, dafür aber fünf retten kann?« versucht der Roboter Mother ihre »Daughter« (Clara Rugaard) zu einer hochwertigen Persönlichkeit zu erziehen. Nachdem die Menschheit ausgestorben sein soll beziehungsweise von einer Roboterarmee beseitigt wurde, aber noch Tausende Embryonen künstlich in einem Bunker am Leben gehalten werden, zieht der Android das Mädchen als ersten neuen Menschen auf. Die Robotermutti ist liebevoll, die junge Frau dank Dauerunterricht ein kleines Universalgenie, man plant den nächsten Schritt, einen »Bruder« zu »gebären«. Doch mitten in die harmonische Zweisamkeit tritt eine verwahrloste und angeschossene Überlebende ins Geschehen. Nun stellen sich der Daughter allerlei Fragen nach der eigenen Herkunft und der Wahrhaftigkeit der mütterlichen Darstellung von einer gänzlich vergifteten Welt außerhalb des Bunkers. Schließlich entdeckt sie, dass Mother mehrere andere Menschenversuche abgebrochen hat.

Was dabei verhandelt wird, ist indes bedenklich. Jede sozialpsychologische Erkenntnis ignorierend, zeigt »I Am Mother« die in völliger sozialer Isolation aufgewachsene Daughter als psychisch stabile, lebensfrohe junge Frau. Die Bedrohung für das dystopische Idyll ist der verwahrloste »alte« Mensch, den Hilary Swank und Regiedebütant Grant Sputore derartig verschlagen, verängstigt und vereinsamt darstellen, dass einen seine (endgültige) Liquidierung völlig kaltlässt.

Das gekonnt inszenierte, wenn auch ästhetisch arg konventionelle Sci-Fi-Kammerspiel, das mit nur zwei Schauspielerinnen und ohne männlichen Darsteller auskommt, bleibt, wenn es über maschinelle Kontrolle über lebens(un)wertes Leben, Selektion sowie Aufzucht von Menschen unter funktionellen Gesichtspunkten räsoniert, erstaunlich indifferent, als gäbe es da ein Pro und ein Contra.

Nicolai Hagedorn

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