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Ich war zuhause, aber …

16.08.2019 13:42

Regie: Angela Schanelec; mit Maren Eggert, Jakob Lassalle; Deutschland / Serbien 2019 (Piffl Medien); 105 Minuten; ab 15. August im Kino

Die Filme von Angela Schanelec sind ein zuverlässsiger Lackmustest. Für Leute, die ins Kino gehen, weil es „Traumpalast“ heißt. Die in Filme eintauchen wollen. Die eine einfache Geschichte gerne linear, doppelt und dreifach erzählt bekommen wollen. Für die Kunst an der Kasse gewogen wird. Die den Begriff Filmkunst pejorativ meinen. Um es mit der Regisseurin Jutta Brückner zu sagen: „Die unheimliche Unmündigkeit des Zuschauers bildet sich ab im flachen Terrain des psychologischen Erzählkinos mit seinem Verismus.“

Nun hat Angela Schanelec, die in Gesprächen über ihre Filme eher „vielleicht“ sagt und zu denen zählt, die nicht „liefern“, einen neuen Film gedreht, der auf der Berlinale 2019 mit dem Silbernen Bären für die beste Regie ausgezeichnet und sogleich kontrovers diskutiert wurde. Oder umgekehrt.

Ein 13jähriger, eine Woche verschwunden, kehrt nach Hause zurück, verdreckt und verletzt. Ein Bruch, der gegen die Rückkehr der Normalität arbeitet. Eine Mutter, die nach dem Tod des Partners versucht, die Dinge am Laufen zu halten. Die selbst berufstätig ist, Verlustängste hat. Der Lehrkörper an der Schule des Jungen, der über eine Haltung gegenüber dem Schwänzer diskutiert. Daneben: ein Fahrradkauf, ein Museumsbesuch, eine Debatte über Kunst und Lüge, ein Kinderwunsch.

Anders als frühere Filme Schanelecs ist „Ich war zuhause, aber …“ kein Ausflug nach Schwermut Forest, sondern von unerhörter Leichtigkeit. Weil hier so erzählt wird, wie erzählt wird. Die Abkehr von konventionellen Szenenauflösungen und Erzählverfahren ist derart entschieden, dass ein ganz wunderbarer Witz entsteht. Jede Szene ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang. Referenzen an das Kino von Robert Bresson und Yasujirō Ozu. Maren Eggert, die die Mutter am Rande des Nervenzusammenbruchs spielt, entwirft sich in jeder Szene neu. Dazu Musik: eine selbstvergessene Version von „Moon River“ und eine Familienchoreografie zu einer Version von David Bowies „Let´s Dance“. Man kommt aus dem Schwärmen gar nicht mehr raus beim Sehen dieser Wundertüte, die so eigentümlich unterhält wie sonst nur Godards „Nouvelle Vague“ und Huillet/Straubs „Klassenverhältnisse“.

Ulrich Kriest

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