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Im Labyrinth des Schweigens

10.11.2014 12:49

Regie: Giulio Ricciarelli; mit Alexander Fehling, André Szymanski; Deutschland 2014 (Universal); 123 Minuten; ab 6. November im Kino

Ein fiktiver, politisch unbedarfter junger Staatsanwalt wird in den sechziger Jahren von einem engagierten Journalisten der »Frankfurter Rundschau« dazu bewogen, die Mörder von Auschwitz zu verfolgen und anzuklagen. Das gelingt dem Noch-Verkehrsdezernenten nur mit Hilfe seines Mentors, Generalstaatsanwalt Bauer. Gegen die öffentliche Meinung, die sich lieber dem Wirtschaftswunder widmet und das Vergangene ruhen lassen will.

Hintergrund ist der legendäre Auschwitz-Prozess, initiiert und durchgeboxt vom realen Fritz Bauer. In Giulio Ricciarellis Spielfilmdebüt spielt Bauer eine Nebenrolle. Denn alles dreht sich darum, wie es dem Staatsanwaltsdebütanten geht, der eine schier übermächtige Aufgabe bewältigen will. Das gibt Emotionen ohne Ende, persönliche Krisen der Reihe nach. Wir sollen mitleiden und hoffen und lernen, denn das Labyrinth soll – im Hintergrund, bittschön – auch ein pädagogisches Ziel haben.

Um die Enkel von heute zu erreichen, versteht sich das Labyrinth als Unterhaltungsfilm. Also gibt es reichlich Zeitkolorit. Vespas, Mofas und VW. Gänge von hier nach dort, Schritte gern in Großaufnahme. Ach ja, die Adenauer-Zeit. Und die erste große Liebe! Auf einer »FR«-Party findet unser Held die Frau seines Lebens. Aber, ach, Ziel seines Lebens ist der Auschwitz-Prozess. Problem! Lösung: Alkohol. Betrunken macht der Staatsanwalt Passanten an: »Du bist auch ’n Nazi!«

Wir sollen bei diesem pädagogischen Unternehmen auf der Emotionsschiene fahren und Empathie entwickeln. Alle Achtung, ein tollkühnes Unternehmen. Leider funktioniert es nicht. Die klumpigen Einfälle des Drehbuchs sorgen dafür, dass man den Helden nicht glaubt. In der Sitzung beantragt der Verkehrsdezernent eine Buße und gibt der zickigen Angeklagten 20 Mark, damit sie die bezahlen kann? Die »FR« verkaufen Kinder im Grundschulalter auf der Straße? Wenn der VW in der Pampa kaputtgeht, rennt der Held ins Nirgendwo? Wenn er Ärger mit den Vorgesetzten hat, lässt er das Auschwitz-Ziel sausen, kündigt und nimmt einen lukrativen Job an – Service für Wirtschaftswunderunternehmen? Und ich soll mitbibbern und mir die Nägel abkauen? Also, Leute, die Drehbucheinfälle führen in die Irre. Ins Nirgendwo. Und selbst mit dem Fazit des Generalstaatsanwalts wird’s schwierig: »Heute wird Geschichte geschrieben!« Mag ja sein, allein mir fehlt der Glaube.

Die Türen zum Gerichtssaal schließen sich, der Prozess beginnt, und rieselt mir was den Rücken runter? Nö.

- Dietrich Kuhlbrodt -

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