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Liebe Halal

11.07.2016 16:25

Regie: Assad Fouladkar; mit Darine Hamze, Rodrigue Sleiman; Libanon/Deutschland 2015 (Neue Visionen); 90 Minuten; ab 7. Juli im Kino

Assad Fouladkar wollte einen Film drehen, der zusammenbringt. Freilich scheint Versöhnung heute nur möglich, wenn man Gemeinsamkeiten betont und Unterschiede stehenlässt. Der Traum von Versöhnung durch Erkennen einer tieferen Humanität, durch ein verantwortungsvolles, liebevolles und freies Dasein wirkt in dieser Welt wie die Phantasie eines Wahnsinnigen. Das autonome Subjekt, das es dafür bräuchte, taucht selbst in der Kunstwelt kaum noch auf.

Insofern erweist sich der libanesische Regisseur als Realo. Die Idee, eine Komödie über die Liebe im Islam zu drehen, hat geradezu pädagogischen Wert. Indem uns Fouladkar skurrile Einblicke in die Intimwelt ganz normaler Muslime gewährt, erreicht er bestenfalls zweierlei: Die westlichen Zuschauer erkennen die Menschen hinter der Religion, die Muslime können über »sich selber« lachen. Hardliner auf beiden Seiten werden freilich weder das eine noch das andere tun. Aber die sind ohnehin verloren.

Mit leichter Hand und mit Hilfe einer verspielt neugierigen Kamera verknüpft Fouladkar Geschichten, die sich hinter und vor den Wohnungstüren eines explizit islamischen Beiruts ereignen. Mokhtar leidet an Eifersucht. Als er in seinem Wahn zum dritten Mal vor der Nachbarschaft die Scheidung von seiner Frau Batoul ausruft, wird es absurd: Nach islamischem Gesetz muss Batoul nun einen anderen heiraten, mit diesem Sex haben und ihn dann verlassen, um sich wieder mit Mokhtar verbinden zu dürfen. Die Nachbarin Awatef wiederum sucht ihrem Gatten eine Zweitfrau, weil sie dessen Sexbedürfnis in den Wahnsinn treibt. Am emanzipiertesten lebt noch Loubna: Irgendwie ist es ihr gelungen, sich von ihrem Mann scheiden zu lassen. Nun bandelt sie mit ihrer verheirateten Jugendliebe an. Der Drang, andere Menschen zu besitzen, die Erwartungen der Sippe, der ewige Druck, sich Regeln fügen zu müssen, die in Knechtschaft münden – das alles blitzt zwischen verspielten Bildern und ulkigen Dialogen auf.

Dringlich und scharf wird diese Kritik nie. Doch erlaubt der heitere Tonfall auch eine Selbstkritik des Westens. Wer nämlich glaubt, nur im Islam herrschten irrwitzige patriarchale Zwänge, irrt. Die gibt es in veränderter Form auch bei uns. Nur sind sie besser versteckt.

Katrin Hildebrand

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