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Phoenix

29.09.2014 11:08

Regie: Christian Petzold; mit Nina Hoss, Ronald Zehrfeld; Deutschland 2014 (Piffl); 98 Minuten; seit 25. September im Kino

Der deutsche Film und die Verarbeitung der NS-Diktatur: Bei manchen Cineasten löst das Thema Idiosynkrasien aus. Einigen grummelt der Magen, wenn sie nur davon hören. Andere ergreifen die Flucht nach vorne und wettern drauflos, als gelte es, einen Dämonen auszutreiben. Wer die erste halbe Stunde von Christian Petzolds »Phoenix« sieht, könnte die erste Abwehrreaktion zeigen. Wer weitere 30 Minuten guckt, die zweite. Wer allerdings bis zum Ende durchhält, mag einsehen, dass Idiosynkrasien häufig als Folgen eines Wahns auftreten. Ihre bloße Existenz bürgt nicht dafür, dass der Auslöser so schlimm ist, wie ihn der Leidende empfindet.

Petzold macht es dem skeptischen Zuschauer nicht leicht. Mit »Phoenix« verhält es sich wie mit Hitchcocks »Vertigo«: Der Film fängt anders an, als er endet. Hitchcock startet mit einem Mysterythriller und verwandelt diesen in subtilsten Psychoterror. Petzolds Drama beginnt elegant fotografiert, allerdings mit dem Plot eines Christine-Neubauer-TV-Spektakels. Nina Kunzendorf und Nina Hoss agieren so hölzern und betroffen, als würden sie einen »Tatort« spielen, nur erinnern Deko und Kostüme eben an die vierziger Jahre.

Hoss ist die Holocaustüberlebende Nelly, die sich nach den Greueln des KZs einer gesichtsverändernden OP unterziehen muss. Kunzendorf spielt Lene, eine Dame von der Jewish Agency, die Nelly hilft. Während Lene im Juni 1945 schnellstens nach Palästina will, möchte Nelly ihren nichtjüdischen Ehemann wiederfinden, weil sie ihn gar so liebt. Doch wird er sie mit dem neuen Antlitz überhaupt erkennen?

An dieser Stelle würde die intelligentere Frage lauten: Ist es zulässig, die Shoa in einer Geschichte unterzubringen, die in Motiven der Telenovela schwelgt – oder in jenen eines Mickey-Rourke-Thrillers aus den Achtzigern? Eine rhetorische Frage für jene, denen schon »Schindlers Liste« zu schwülstig war. Doch kurz bevor der Schock über diese Dreistigkeit Petzolds so richtig zuschlägt, dreht sich der Plot. Aus dem Drama wird eine schwarze Komödie, aus dieser ein Abgesang auf die bürgerliche Liebe, die Menschlichkeit und zugleich eine stumme Verbeugung vor Hitchcock. Klingt nicht schlecht? Ist es auch nicht.

- Katrin Hildebrand -

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