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Pride

30.10.2014 08:00

Regie: Matthew Warchus; mit Ben Schnetzer, George MacKay; Großbritannien 2014 (Senator); 120 Minuten; seit 30. Oktober im Kino

Ein zeitgeschichtlicher Hintergrund, eine Prise derbe Arbeiterromantik, großzügig bemessener Klamauk sowie sexuell unangepasste Außenseiter als Thema: fertig ist die britische Arthouse-Wohlfühlkomödie des neuen Jahrtausends. Alles begann mit dem gigantischen Erfolg der strippenden Stahlarbeiter aus »Ganz oder gar nicht«, es folgten »Billy Elliot«, »Kalender Girls« und viele mehr. Dabei sind es vor allem die Thatcher-Jahre, die den Briten als Setting für ihre heiter-moralischen Lustspiele dienen – eine dunkle Zeit, von der man sich auf diese Weise weiter distanziert. »Pride« beschreitet den gleichen Weg und bringt ganz besonders deutlich Klassenbewusstsein und sexuelle Identität zueinander.

In Matthew Warchus’ Film kollidieren hippe Londoner Schwule und Lesben mit den Einwohnern eines verschnarchten walisischen Kaffs. 1984, die Männer des vom Bergbau abhängigen Dorfes streiken wegen Thatchers geplanter Grubenschließungen. In London marschieren Mark und seine Freunde auf den Gay-Pride-Paraden – doch wie könnten sie noch mehr Aufmerksamkeit gewinnen? Sie solidarisieren sich mit den ebenfalls von der konservativen Regierung unterdrückten Bergmännern und sammeln unter dem Vereinsnamen LGSM (Lesbians and Gays Support the Miners) eine beträchtliche Summe für das Kaff in Wales. Bald kommt es zu ersten Kontakten zwischen den proletarischen Provinzlern und den hedonistischen Städtern – was wie erwartet für einigen Trubel in beiden Welten sorgt.

Wie viele der oben genannten Genrevertreter ist »Pride« hervorragend mit britischen Charakterschauspielern besetzt: Bill Nighy, Paddy Considine und allen voran Dominic West (»The Wire«) als abgehalfterter  Theaterschauspieler schmeißen sich mit vollem Körpereinsatz in ihre Rollen. Den faden Geschmack, den dieser viel  zu lange Film hinterlässt, können sie nicht ausgleichen. So sehr »Pride« auch Toleranz und Solidarität predigt: Seine immanente Piefigkeit vermag er zu keinem Zeitpunkt abzulegen. Zum einen zwängt er seine historische Vorlage zu straff in einen traditionellen Erzählbogen; zum anderen setzt er auf die vermeintlich niedlichen Momente, in denen die walisischen Omas den »gay lifestyle« der Hauptstadt kennenlernen. Richtig böse kann man Warchus dafür allerdings nicht sein, gelingt es ihm doch, einen wichtigen Moment der britischen LGBT-Bewegung massentauglich
aufzubereiten.

- Tim Lindemann -

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