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Skin

24.10.2019 10:29

Regie: Guy Nattiv; mit Jamie Bell, Danielle MacDonald; USA 2019 (24 Bilder); 118 Minuten; ab 3. Oktober im Kino

Bryon Widner ist ein besonders schönes Exemplar eines modernen SA-Schlägers: Nicht nur, dass er jedem ungefragt in die Fresse haut, er hat sich seine Meinung auch gleich massenweise in die eigene tätowieren lassen.

Aber jetzt hat er sich in Julie verliebt, und die steht der rechtsextremen Szene kritisch gegenüber, seit sie sie verlassen hat. Sie hat schließlich schon drei Kinder, und der Nazi-Kram ist nicht gerade karrierefördernd. Ihr zuliebe will Bryon nun auch aussteigen.

Die Familie ist alles andere als happy über die Entwicklung ihres Adoptivbandenmitglieds. Die Widners lieben Waffen und Adolf Hitler und schüchtern die ganze Stadt ein. Bald gehen sie auch auf Bryon los, und zwar aus gutem Grund: Er könnte mit seinem Insiderwissen den Aktivitäten des Klans gefährlich werden. Und tatsächlich arbeitet er mit Menschenrechtsaktivisten und der Polizei zusammen. Die schlägt eine radikale Maßnahme vor: Optische Detox, der Tattoo-Nightmare muss runter. Das geht, aber nur mit Laser, und ist sehr schmerzhaft.

Die Wieder-Mensch-Werdung tut sehr weh und ist real: Der echte Bryon Widner entkam der Szene, heute hilft er anderen. Der Spielfilm-Newcomer Guy Nattiv hat den Fall in »Skin« als rasanten Actionthriller verfilmt. Die Schauspieler geben ihr Allerbestes, irre und nah dran. Vor allem die Figur der Julie macht – wie der ganze Film abseits aller gängigen Schönheitsideale – richtig was her: Streckenweise denkt man, hier kloppen sich die Orks aus »Herr der Ringe«.

Widners Ent-Zeichnung zog sich über ein Jahr hin, in wiederkehrenden Szenen sehen wir ihn im OP. Eine Erzählung wie ein umgedrehter Kafka: Dessen Verurteilter in der Erzählung »In der Strafkolonie« wird getötet, indem ihm eine Hinrichtungsmaschine das Urteil in den Körper einschreibt. Und hier? Findet Bryon zum Leben, indem ihm die Zeichen wieder aus dem Körper extrahiert werden. Sehr philosophisch das.

Wo »Skin« auf leicht wackligen Füßen steht: Der Nazismus tritt in einer für das US-Kino typischen Weise als Familienfilm auf. Mit Folgen: Zwar scheut die bucklichte Verwandtschaft nicht davor zurück, auch ihren missratenen Hilfssohn töten zu wollen. Aber dann entscheidet sie sich für etwas, was im amerikanischen Familienkino richtig weh tut: Sie killen den Hund.

Jürgen Kiontke

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