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Spot on: Her

31.03.2014 11:58

Regie: Spike Jonze; mit Joaquin Phoenix, Scarlett Johansson; USA 2013 (Warner Bros.); 126 Minuten; seit 27. März im Kino

Zu den meistbeschimpften Inhalten auf Bildschirmen zählen nicht Visagen von Putin, Merkel oder Berlusconi, sondern die Oberflächen der Windows-Betriebssysteme. Das Computersystem verlacht so manchen Befehl seines Besitzers, mitunter handelt es rätselhaft und eigenmächtig. Daß die Kommunikation zwischen Mensch und Computer unbefriedigend ist, beweist aufs Anschaulichste Siri, Apples virtuelle I-Phone-Plaudertasche, die, so begriffsstutzig wie ignorant, die ruhigsten Zeitgenossen um die Contenance zu bringen vermag. Glaubt man dem Film »Her«, wird die Computertechnik im Jahre 2025 ein anderes Qualitätsniveau erreicht haben. Dann entwickelt die Künstliche Intelligenz (KI) lebenskluge und zuvorkommende Charakteristika und ersetzt, potentiell vollständig, den hardwareförmigen Menschen, jenen lästigen Sack voller Eingeweide.

Und so verliebt sich der hauptberufliche Liebesbriefschreiber Theodore in sein Betriebssystem. So albern dies klingen mag, so folgerichtig wirkt die Amour fou, wenn man dem Betriebssystem in der Originalfassung lauscht: Die Samantha genannte KI spricht mit der wundervoll kratzigen, ungekünstelten, erotischen und manchmal charmant kippenden Stimme von Scarlett Johansson. Bald plauschen der besonnene Theodore und die neugierige Samantha, wie es Verliebte zu tun pflegen, sie turteln, philosophieren und haben Geschlechtsverkehr, zur Freude und Belustigung des Zuschauers. Sogar das Ausgehen mit einem zweiten Paar gelingt auf stilvolle Weise, immerhin tragen die Menschen der näheren Zukunft stets intelligente Stöpsel mit Sprecheinheit im Ohr statt dusseligen Google-Brillen auf der Nase.

Die kuriose Liebe gerinnt weder zur Schmonzette à la »Schlaflos in Seattle« noch zur High-Tech-Wichtigtuerei eines »8. Wonderland«. Das ist neben den hervorragenden Schauspielern der Sorgfalt und Geschmackssicherheit zu verdanken, mit der Regisseur Spike Jonze das Verhältnis beleuchtet und die zwangsläufige Einsamkeit und die (Un)Möglichkeit von Liebe auslotet. Theodore reflektiert sein Leben, seine gescheiterte Ehe und die Grenze zwischen »wahrem« Gefühl und Gefühlscode. Die avancierte Kommunikationstechnik macht die nahe Zukunft auf ähnlich unterhaltsame Weise greifbar wie die Überbauch-Hosen-Mode und das kinetische Videospielen im Wohnzimmer. Wie in »Being John Malkovich« gelingt es Jonze, seine eigentümliche Fassung der Welt zu einer betörenden Bühne zu machen für Mühen und Scheitern der Spezies Eingeweidesack.

– Peter Kusenberg –

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