26.02.2016 11:43
Regie: Tom McCarthy; mit Michael Keaton, Mark Ruffalo; USA 2015 (Paramount); 128 Minuten; seit 25. Februar im Kino
Langsam erreicht die Krise des Journalismus das US-Kino, wenn auch in einer verklärten Vergangenheitsform. Zuletzt erzählte »Kill the Messenger« die wahre Geschichte des Lokalreporters Gary Webb, der in den Neunzigern im Alleingang eine Verschwörung von CIA und nicaraguanischen Contra-Rebellen während des »War on Drugs« aufdeckte. Nun kommt mit »Spotlight« die nächste Hommage an den guten alten Printjournalismus in die Kinos – unglamourös inszeniert im pragmatischen Look des New-Hollywood-Kinos, aber mit Starbesetzung. Michael Keaton, Mark Ruffalo, Rachel McAdams und John Slattery spielen ein Team von Journalisten, die Anfang der nuller Jahre die systematische Vertuschung von Missbrauchsfällen in der katholischen Diözese von Boston aufdeckten. Die »Spotlight«-Redaktion ist die Speerspitze des investigativen Journalismus im »Boston Globe«, ihre zeitaufwendigen Rechercheprojekte sind handverlesen. Als ein auswärtiger Chefredakteur den »Globe« übernimmt – er ist jung, ledig, kein Baseballfan und jüdisch –, kehren neue Besen. Die Anzeigenkunden sind weggebrochen, die Leserschaft schwindet, also muss zum Einstand eine große Geschichte her. Die Kirche ist im erzkatholischen Boston genau der richtige Gegenspieler, um etwas Staub aufzuwirbeln. »Es braucht einen Außenseiter, um die Probleme in dieser Stadt zu erkennen«, erklärt ein Missbrauchsanwalt (Stanley Tucci) einem der Reporter. Regisseur Tom Mc-Carthy, der schon in der Journalismusstaffel von »The Wire« als Schauspieler mitwirkte, stellt seine rechtschaffende Agenda mit viel beruflichem Ethos aus. Man sieht »Spotlight« an, dass er gerne ein zweiter »Die Unbestechlichen « (Alan J. Pakulas Reporterklassiker über die Watergate-Affäre) wäre, aber Mc-Carthy hat schon in früheren Filmen gezeigt, dass er dem Publikum subkutan immer noch eine Überdosis Emotionalität verabreichen muss. Dabei wäre der Missbrauchsskandal auch ohne dramaturgische Schützenhilfe als solcher zu erkennen, nötig hat die Geschichte die vielen überflüssigen Nebenplots nicht. »Spotlight« ist am besten, wenn er den Reportern einfach bei der Arbeit zusieht: Redaktionsalltag, an Haustüren klingeln, Notizblock zücken, in den Archiven staubige Akten wälzen. Manchmal durchmisst die Kamera die Räume auf Hüfthöhe, aus der Perspektive der vollbeladenen Aktenwägelchen, die durch die Redaktion geschoben werden. Das ist rührend anachronistisch, aber es liegt nicht an diesem Pathos, dass »Spotlight « am Ende doch nur ein solider Reporterfilm ist.
Andreas Busche