24.07.2015 10:58
Regie: Jafar Panahi; mit Jafar Panahi, Hana Saeidi; Iran 2015 (Weltkino); 81 Minuten; seit 23. Juli im Kino
Jafar Panahi ist der Meister der Schlüsselsituation. »Aufhängen!«, brüllt der Mann. »Alle hinrichten!« Wer anderen zum Beispiel Autoräder klaut, der muss sofort umgebracht werden, von Staats wegen. »Sagen Sie mal, was arbeiten Sie denn?«, fragt die Frau, die im Taxi neben ihm sitzt. Der entgegnet: »Ich bin selbständig tätig. Als Straßenräuber.«
Auf die Berlinale geschmuggelt haben soll der iranische Meisterregisseur seinen Film »Taxi«, der dort dieses Jahr den Goldenen Bären gewann. Eigentlich hat Panahi Berufsverbot und Gefängnisstrafe, die ist jedoch ausgesetzt. Beides nimmt er nicht recht ernst, die iranischen Autoritäten wohl auch nicht: Es ist nun schon der dritte Film des Regisseurs seit der Verurteilung, immer hat er sich auf intelligenteste Weise mit der jeweiligen Situation arrangiert.
Panahi liebt sein Publikum. In gerade 80 Minuten entwirft er ein Gesellschaftsbild der islamischen Republik Iran, vielleicht sogar ein sympathisches, denn es steigen noch ganz andere Charaktere in Panahis Fahrzeug, der sich hier als Chauffeur verdingt. Und sich und seine Gäste nicht ganz uneitel mit versteckten Kameras filmt.
Dann kommt »Film-Omid«, der mit Raubkopien handelt. Mit dem Taxi als Verkaufsraum und dem Regisseur am Steuer, so der windige Dealer, verkauft sich »Vicky Cristina Barcelona« um einiges besser. »Ich war schon bei Ihnen, Sie wollten alle Woody- Allen-Filme haben.« Ein Vorbereitungsgespräch sozusagen, bis die Hauptdarstellerin dieses wunderbaren Films kommt: Hana, die zehnjährige Nichte Panahis. Sie wird von der Schule abgeholt, heute war Filmstunde. Das Kind weiß natürlich besser als der Profi, wie man Kino zu machen hat, die Lehrerin hat gesagt, wie. Naseweisheit at it’s best.
Die Sprache dieser Art Kino ist rudimentär und gleichzeitig cool, ihre Struktur die des Selfie. Kino als Introspektion eines globalen Geschehens. Eine Steigerung ist immer möglich: Etwa wenn die Anwältin der jungen Frau Ghoncheh Ghavami einsteigt. Ghavami hat einem Volleyballspiel der Männer zugeschaut, und das ist im Iran verboten. »Ich habe jetzt Berufsverbot«, sagt die Juristin.
So wie Panahi eben. Kino im Kino, genial. »Ich bin Filmemacher«, sagt er. »Ich kann nichts anderes als Filmemachen.«
Jürgen Kiontke