30.09.2016 11:21
Regie: Fatih Akin; mit Anand Batbileg, Tristan Göbel; Deutschland 2016 (Studiocanal); 90 Minuten; seit 15. September im Kino
Wolfgang Herrndorf hatte wohl geahnt, dass man sich als Autor besser nicht unvorbereitet mit der deutschen Filmbranche einlässt. Kurz vor seinem Tod im August 2013 vertraute Herrndorf seinem Freund Lars Hubrich die Verfilmung von Tschick an – vermutlich in dem Glauben, dass der schnodderige Jugendroman so in den richtigen Händen landen würde. Was sollte schon schiefgehen? Herrndorf war ja bereits ein Erzähler mit einem sagenhaft filmischen Timing. Die Geschichte um die Spritztour des 14jährigen Maik Klingenberg und seines deutschrussischen Buddys Andrej »Tschick« Tschichatschow durch die neuen Bundesländer müsste sich eigentlich wie von selbst verfilmen.
Die Produktionsgeschichte verlief allerdings holprig. Erst sagte David Wnendt, dessen Hitler-Satire »Er ist wieder da« immerhin zu den interessanteren deutschen Bestsellerverfilmungen der letzten Jahre gehört, ab. Den Job erhielt statt dessen Fatih Akin. Dann musste Hubrichs Drehbuch komplett überarbeitet werden. Alles andere als ideale Voraussetzungen für einen guten Film, und gleich die ersten Minuten bestätigen die Befürchtungen. »Tschick« beginnt mit langen Voiceover-Passagen, deren Wortlaut direkt aus dem Buch übernommen wurde. Off-Erzähler, ein beliebtes Stilmittel im Film Noir und in Filmen mit sprechenden Tieren, sind ein Paradebeispiel für lame writing und meist ein sicheres Indiz, dass das Skript nur noch durch einen Trick zu retten war. Akin verlässt sich im ersten Drittel seines Films fast ausschließlich auf dieses Stilmittel. So lange dauert es auch, bis »Tschick« seinen charakteristischen Tonfall etabliert hat, für den Herrndorf nur wenige Seiten benötigte.
Akin, der mit »The Cut« beim Versuch eines politischen Films über den Genozid an den Armeniern zuletzt keine glückliche Figur machte, hatte eine zeitgenössische Variante von Hark Bohms Ausreißergeschichte »Nordsee ist Mordsee« angekündigt (Bohm half beim Drehbuch, sein Sohn Uwe spielt Maiks Vater), aber die Lässigkeit des Vorbilds – geschweige denn Herrndorfs Buch – erreicht sein Film nur selten. Akin hat keine eigenen Ideen, die filmische Sprache des Buchs filmgerecht umzusetzen, auf dem Soundtrack geben die Beginner den Udo Lindenberg, und als Roadmovie findet »Tschick« nichts Interessantes im Osten vor außer Windkraftanlagen.
Letztlich macht Akin nicht so viel falsch, allerdings auch kaum etwas richtig. Zu letzterem gehört Newcomer Anand Batbileg, der in der Titelrolle gegen das uninspirierte Drehbuch anspielt.
Andreas Busche